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30. Internationaler Filmhistorischer Kongress

Zwischen Revolution und Restauration
Kultur und Politik 1789-1848 im Spiegel des Films


23.11. – 25.11.2017, 9.30 – 16.00 Uhr
im Gästehaus der Universität (Rothenbaumchaussee 34)

Das Fräulein von Scuderi (Werkfoto)
Das Fräulein von Scuderi (DDR/SE, Eugen York)
- Werkfoto (BArch FILMSG 1, 04602_Werkfoto_001)


Panels

Ankündigung als pdf

Für die Teilnahme am Kongress ist eine vorherige Akkreditierung notwendig.

Die Epoche zwischen Französischer Revolution 1789 und der Restauration der »Alten Ordnung« nach dem Scheitern der demokratischen Revolutionen 1848 bewegte Zeitgenossen wie auch Künstler und Literaten späterer Jahre. Sie schwankten in ihrem Engagement für die demokratische Ordnung, wandten sich enttäuscht durch die Auswüchse des revolutionären Terrors ab oder wurden durch die Zensur der zumeist reaktionären Regime in den europäischen Monarchien in ihrer Entfaltung behindert. Das spiegelt sich in den Werken von revolutionären Autoren wie Georg Büchner; Heinrich Heine verzagte im revolutionären Paris an der deutschen Gegenwart, Schiller und Goethe entwickelten sich vom jugendlichen Sturm & Drang (Werther) zu Vertretern des höfischen Establishments. Bei den Autoren der Romantik finden sich christlich-feudale Verklärung der Vergangenheit (Brentano, Fouqué) genauso wie die düster-geheimnisvollen Brechungen der damaligen Gegenwart (E. T. A. Hoffmann, Tieck). Ähnliche Entwicklungen finden sich in europäischen Ländern, z.B. in der schwarzen Romantik englischer Aristokraten (Shelley, Byron) oder der nationalen »Wiedergeburt«  der tschechischen Kultur im repressiven k.u.k.-Reich.
Die Werke und Biografien dieser Künstler wurden immer wieder von Filmschaffenden genutzt, um ihre eigene Realität unter den unterschiedlichsten Regimen (Monarchie, Republik, Diktatur) zu reflektieren. Dabei dienten die Vorlagen »klassischer Literatur« häufig auch als Absicherung, um die Zensur zu umgehen und eigene Probleme »im Kostüm« darzustellen. So spiegeln die Filme häufig die Zerrissenheit zwischen Kultur und Politik. cinefest und Filmhistorischer Kongress reflektieren damit in doppelter Brechung die filmischen Bearbeitungen künstlerischer und literarischer Werke einer politisch bewegten Zeit.

Beim 30. Internationalen Filmhistorischen Kongress werden einige der thematischen Schwerpunkte vertieft. Ein Überblickspanel macht mit den kulturellen und politischen Besonderheiten der Epoche vertraut. Am Beispiel von Manfred Noas NATHAN DER WEISE wird das Motiv der »doppelten Brechung« verdeutlicht: Ein Stück, im 18. Jh. geschrieben, befasst sich mit einem Ereignis aus dem 12. Jh. und wird im 20. Jh. verfilmt, dabei nehmen die Bearbeitungen Bezug auf die jeweilige Gegenwart.
Im zweiten Panel wird ein Blick auf Bernhard Sinkels TAUGENICHTS (1977/78) geworfen, dessen Interpretation der literarischen Vorlage aus der deutschen Spätromantik die Gegenwart des Deutschen Herbsts spiegelt. Es wird untersucht, wie die Werke des bedeutenden tschechischen Romantikers Karel Hynek Mácha (1810-1836) von Filmmachern in Neuinterpretationen verarbeitet werden.
Im nächsten Panel werden unterschiedliche Verfilmungen des gleichen Werks analysiert, insbesondere von Goethes »Die Leiden des jungen Werthers«; ebenso Interpretationen der Klassiker in den 1960er Jahren, die einen deutlichen Gegenwartsbezug aufweisen. Der Vergleich von WOZZECK (SBZ 1947, Georg C. Klaren) und BEGEGNUNG MIT WERTHER (D-West 1948/9, Karl-Heinz Stroux) veranschaulicht die Befindlichkeiten im besetzten Nachkriegs-Deutschland.
Inwieweit Leben und Werk der Dichter zur national(istisch)en Erbauung genutzt wurden, wird in einem weiteren Panel erörtert. Dabei wird aufgezeigt, wie der Dichter Theodor Körner, berühmt für seine Lieder in den antinapoleonischen »Befreiungskriegen«, sich zu einem nationalistischen Film-Mythos entwickelte. Ein Vergleich der Bearbeitungen von Schillers »Wilhelm Tell« (1804) zeigt die Brisanz des Stückes in verschiedenen politischen Systemen.
In einem Panel über die DEFA wird untersucht, wie DDR-Filmschaffende klassische Stoffe im historischen Gewand nutzten, um über ihre eigene Gesellschaft und deren Ungerechtigkeiten zu reflektieren. Ein weiterer Vortrag beschäftigt sich im Kontext der Romantik-Skepsis der DDR-Germanistik mit der Verfilmung von E. T. A. Hoffmanns »Das Fräulein von Scuderi« (1954/55, Eugen York).
Im abschließenden Panel wird der eigenwillige Umgang mit einer historischen Figur anhand von Peter Brooks Adaptation von Peter Weiss' Theaterstück »Marat/Sade« dargestellt sowie die wiederholte Beschäftigung Andrzej Wajdas mit der Phase von der Französischen Revolution bis zur Restauration 1848 untersucht.


Programm

 

Mittwoch, 23.11.


Metropolis-Kino (Kleine Theaterstr. 10)
17:00                     Die Besteigung des Chimborazo (DDR/BRD 1988/89, Rainer Simon), 97 min
Gast: Rainer Simon
In Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg
                              
20:00                     Kongress-Eröffnung
mit Verleihung des Reinhold Schünzel-Preises
sowie der Willy Haas-Preise


Eröffnungsfilme:
Anekdote aus dem letzten preußischen Kriege

(D 1995, Zoltan Spirandelli), 8 min
Denk ich an Deutschland in der Nacht. Das Leben des Heinrich Heine (D 2005/06, Gordian Maugg), 60 min
             
Im Anschluss laden wir zu einem Umtrunk im Kino-Foyer ein.


Kongress im Gästehaus der Universität (Rothenbaumchaussee 34)

 

Donnerstag, 23.11.


09:30
Begrüßung

09:45 – 12:30
Panel 1: ÜBERBLICK
Sarah Goeth, Hamburg: Zwischen Revolutionsetüden und politischer Apathie. Zum Verhältnis von Kunst und Politik zwischen 1789-1848
Heike Klapdor, Berlin: »Theaterfeuer, das keine Pfeife Tabak anzündet« – Manfred Noas Lessing-Film NATHAN DER WEISE (1922)

14:00 – 16:00
Panel 2: ROMANTIK
Milan Klepikov, Prag: "Spiel mir nicht das Lied vom Tod". Karel Hynek Mácha oder Die umstrittene Verwendbarkeit des tschechischen Byron im Kino
Jan Henschen, Erfurt: Taugenichts 1978: Von Eichendorffs Romantik zu Deutschland im Herbst

Filmprogramm vom 23.11.

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Freitag, 24.11.


09:30 – 12:30
Panel 3: REFLEKTIONEN
Daniel Jonah Wolpert, Cambridge: The Author and his Corpse: German Classical Culture in the Cinema of Occupied Germany
Michael Töteberg, Hamburg: Büchner, Kleist, E.T.A Hoffmann: Unsere Zeitgenossen. Die Aneignung klassischer Literatur durch den Neuen Deutschen Film

14:00 – 16:00
Panel 4: NATIONALISMUS
Evelyn Hampicke, Berlin: Gedichte kann man nicht verfilmen. Theodor Körner - vom »Sänger der Nation« zum nationalistischen (Film-) Mythos
Brigitte Braun, Koblenz: »Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern«. Schillers »Wilhelm Tell«, die Politik und der Film


Filmprogramm vom 24.11.

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Samstag, 25.11.


09:30 – 11:30
Panel 5: DEFA
Anett Werner-Burgmann, Berlin: »Kino ist fast notwendig verbunden mit Gegenwart«: Die DEFA-Klassikerverfilmungen der 1970/80er Jahre
Günter Dammann, Hamburg: Die DEFA wagt sich an einen Autor der Romantik. DAS FRÄULEIN VON SCUDERI (Eugen York, 1955) als Koproduktion DDR/Schweden

11:30 – 12:00
Annika Souhr-Könighaus, Berlin: »Weimar – Die erste deutsche Demokratie« – ein Projekt des Bundesarchivs


13:00 – 15:00
Panel 6: MONUMENTE
Michael Girke, Herford: De Sade, eine Filmkarriere oder Dialog mit dem grausamen Partner
Thomas Brandlmeier, München: Revolution und Restauration in der polnischen Literatur und im polnischen Film

.
15:15 – 16:00
Abschlussdiskussion


Filmprogramm vom 25.11.

Filmprogramm vom 26.11.

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Der 30. Internationale Filmhistorische Kongress ist integraler Bestandteil des XIV. cinefest – Internationales Festival des deutschen Film-Erbes (18. – 26.11.). Er wird am Abend des 22.11.2017 im Metropolis-Kino eröffnet. Während der Veranstaltung werden auch die Willy Haas-Preise für eine bedeutende internationale Publikation (Buch und DVD) verliehen sowie der Reinhold Schünzel-Preis, Ehrenpreis für langjährige Verdienste um die Pflege, Bewahrung und Verbreitung des Film-Erbes.
Die Vorträge des Kongresses finden vom 23. – 25.11., jeweils von 9.30 – 16.00 Uhr, im Gästehaus der Universität statt. Referenten und Teilnehmer aus dem In- und Ausland vertiefen in Vorträgen und Diskussionen (Kongress-Sprachen: Deutsch oder Englisch) das Thema des Festivals in sechs thematisch abgestimmten Panels.

Ab 17.00 Uhr laufen im Metropolis-Kino die Filmvorführungen, die die Vorträge ergänzen.

Für die Teilnahme am Kongress ist eine vorherige Akkreditierung erforderlich.
Die Vorträge des Kongresses werden in überarbeiteter Form im Herbst 2018 in einem CineGraph Buch veröffentlicht.

Konzeption: Hans-Michael Bock, Swenja Schiemann, Erika Wottrich
Beratung: Karl Griep, Heike Klapdor, Jörg Schöning
Organisation: Erika Wottrich
Coordination Bundesarchiv: Roland Foitzik                                            

Zur Vorbereitung auf Festival und Kongress fand vom 11.-14. Mai 2017 eine Sichtungsveranstaltung in Berlin statt.

Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an kongress(at)cinegraph.de

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Rückblick auf den 29. Internationalen Filmhistorischen Kongress
Rückblick auf den 28. Internationalen Filmhistorischen Kongress
Rückblick auf den 27. Internationalen Filmhistorischen Kongress
Rückblick auf den 26. Internationalen Filmhistorischen Kongress
Rückblick auf den 25. Internationalen Filmhistorischen Kongress
Rückblick auf den 24. Internationalen Filmhistorischen Kongress
Rückblick auf den 23. Internationalen Filmhistorischen Kongress
Rückblick auf den 22. Internationalen Filmhistorischen Kongress
Rückblick auf den 21. Internationalen Filmhistorischen Kongress
Rückblick auf den 20. Internationalen Filmhistorischen Kongress
Rückblick auf den 19. Internationalen Filmhistorischen Kongress
Rückblick auf den 18. Internationalen Filmhistorischen Kongress

Rückblick auf die Kongresse 1989-2004

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