Der 18. Internationale Filmhistorische Kongress von CineGraph, der zweite Kongress, der als Bestandteil vom CineFest präsentiert wird, knüpft an einen wesentlichen Schwerpunkt der Kongressgeschichte an. Die internationale Perspektive, mit der in den vergangenen Jahren u.a. transatlantische und europäische Brückenschläge und Cooperationen erforscht worden sind, richtet sich nun auf ein Thema, das auf besondere Weise von grenzüberschreitenden Produktionsstrategien, von nationalen Spezifika und deren Überwindung bestimmt ist: In den Mehrsprachenversionen / Multi Language Versions (MLV) der 1930er Jahre spiegelt sich die Idee eines paneuropäischen Tonfilms und zugleich der Versuch, dabei auf die besonderen Bedürfnisse und Bedingungen einzelner Länder zu reagieren.
Auslöser war die Einführung des Tons, der FilmEuropa zunächst zwangsläufig entlang seiner Sprachgrenzen zersplittern ließ. Zu den verschiedenen Strategien, mit denen die Produzenten die neue Sprachbarriere zu überwinden versuchten, gehörten die Mehrsprachenversionen: Der gleiche Stoff wurde mit wechselnden Stars und bisweilen anderen (Co-)Regisseuren für diverse nationale Märkte produziert. Klassiker wie E. A. Duponts ATLANTIC (1929/30), Fritz Langs M (1930/31), Erik Charells DER KONGRESS TANZT / LE CONGRÈS S'AMUSE / CONGRESS DANCES (1931), G. W. Pabsts DIE 3-GROSCHEN-OPER / L'OPÉRA DE QUAT'SOUS (1930/31) und Wilhelm Thieles DIE DREI VON DER TANKSTELLE / LE CHEMIN DU PARADIS (1930) wurden ganz oder teilweise als MLV hergestellt, ebenso z.B. Alfred Hitchcocks MURDER! / MARY SIR JOHN GREIFT EIN (1930) und Jacques Feyders LA KERMESSE HÉROÏQUE / DIE KLUGEN FRAUEN (1935) auch in deutscher Version produziert.
FilmEuropa Babylon wird die vielschichtigen Hintergründe und Konsequenzen dieser Strategie der MLV diskutieren; die politischen, ästhetischen und technischen Rahmenbedingungen bilden die Grundlage der Debatten. Fragen nach der Tontechnik und dem Stellenwert von Musik gehören dazu, ebenso sind die historische Konkurrenz zwischen Sprachversion, Synchronisation und Untertitelung sowie das Verhältnis zwischen FilmEuropa und den USA in den 1930er Jahren zu beleuchten. Neben den klassischen deutsch/französisch/englischen Beziehungen mit Produktionsstätten wie Babelsberg, Joinville und Elstree müssen auch andere Produktionsländer und Varianten in den Blick genommen werden seltenere Kombinationen in Italienisch, Spanisch, Niederländisch, Schwedisch, Tschechisch oder Ungarisch. Darüber hinaus ist nach der Rolle von Migration und Exil bei der Entwicklung der Sprachversionen zu fragen wie auch danach, inwiefern MLV über die Konstruktion nationaler Besonderheiten und Identitäten Auskunft geben.