24.11. – 26.11.2016, 9.30 – 16.00 Uhr
im Gästehaus der Universität (Rothenbaumchaussee 34)
Tales of Manhattan (US 1941/42, Julien Duvivier)
Panels
Programm als pdf
Für die Teilnahme am Kongress ist eine vorherige Akkreditierung notwendig.
cinefest 2016 beschäftigt sich mit den Karrieren von Drehbuchautoren und Schriftstellern, die aus politischen oder rassistischen Gründen ins Exil vertrieben wurden, vor allem aus Nazi-Deutschland. Gerade erfolgreiche Autoren hatten es besonders schwer, in einer fremdsprachigen Umgebung ihre gewohnte Arbeit fortzusetzen. Ihr vielfach zur Kunst entwickeltes Handwerkszeug, der differenzierte Umgang mit der Muttersprache und ihren kulturellen Traditionen galten nichts mehr. Während z.B. Musiker in Hollywood vielfach geehrt wurden und eine einflussreiche Schule der Filmmusik entwickelten, mussten sich bisher oft gefeierte Autoren erst in einer neuen Sprache zurechtfinden und an ungewohnte Methoden der Studios anpassen. Dennoch gelang es manchen, sich in der fremden Sprache zu etablieren. Bisweilen verbanden sie alte kulturelle Erfahrungen mit denen des Exillandes und kreierten interessante neue Misch-Genres.
Einigen gelang der Wechsel auf den Regie-Stuhl oder hinter den Produzenten-Schreibtisch, so z.B. Billie/Billy Wilder und Hermann Kosterlitz/Henry Koster oder Rudolf Katscher, der als Rudolph Cartier die Tradition der BBC-Fernsehspiele mitbegründete. Der in Hamburg geborene Felix Joachimson machte als Felix Jackson in den USA mit Musical-Drehbüchern und als Fernsehproduzent Karriere.
Während das Filmprogramm etwas breiter angelegt ist und unterschiedliche Exilkontexte des 20. Jahrhunderts widerspiegelt, wird der Fokus beim 29. Internationalen Filmhistorischen Kongress auf der Exilsituation während des Dritten Reichs liegen.
Im Emigrantenroman »Those Torn From Earth« (dt.: »Menschliches Treibgut«) verarbeitete der exilierte Komponist Friedrich Hollaender das Schicksal vieler seiner Mit-Exilanten. Wir werden als Einstieg einen Blick auf das 1941 in New York veröffentlichte Werk und seinen Autor werfen, ebenso wie auf den Episodenfilm TALES OF MANHATTAN (1941/42), an dessen Produktion viele Exilanten beteiligt waren.
Ein naheliegendes und wichtiges Exilland war Frankreich, so auch für Slatan Dudow, der seinen Film SEIFENBLASEN (1933/34) – noch in Deutschland begonnen – dort nach seiner Flucht beendete. In Paris wurde der Produzent Max Glass für viele geflüchtete Künstler eine wichtige Anlaufstelle und Arbeitgeber.
Einige Schriftsteller, wie Irène Némirowsky, Alfred Kerr und Friedrich Torberg, versuchten – mit unterschiedlichem Erfolg – im Exil eine Karriere als Drehbuchautoren aufzubauen; vielleicht auch in der Annahme, diese Art des Schreibens sei leichter in der fremden Sprache zu bewerkstelligen. Auch viele Filmkritiker waren in Nazi-Deutschland nicht mehr sicher und verließen das Land. Darunter Siegfried Kracauer und Lotte Eisner. Kracauer setzte in den USA seine Untersuchungen zur Filmgeschichte fort, weit weniger bekannt ist, dass er zuvor in Frankreich auch Drehbücher schrieb. Eisner versuchte, sich weiterhin mit dem Schreiben von Filmkritiken durchzuschlagen, bevor sie beim Aufbau der Cinémathèque mitwirkte. Die Schicksale von Autorinnen wie Gina Kaus, die in den USA u.a. das Drehbuch zu THE WIFE TAKES A FLYER (1942) verfasste, und Anna Gmeyner (PASTOR HALL, 1940) werden beim Kongress genauso thematisiert wie Ludwig Bergers niederländisches Exil, wo er u.a. den Antinazi-Film ERGENS IN NEDERLAND (1940) schrieb. Ein Vortrag wird sich mit Willy Haas beschäftigen, der 1920 aus Prag nach Berlin kam, wo er sich einen Namen als Filmkritiker machte und Drehbücher schrieb. Er kehrte 1933 nach Prag zurück und floh beim Einmarsch der Deutschen 1939 über Frankreich und Triest nach Bombay, wo er auch als Drehbuchautor arbeitete.
Nicht alle Emigranten hatten Erfolg in der fremden Sprache, viele mussten im Exil bittere Rückschläge hinnehmen. Oftmals spielte der Zufall eine große Rolle sowie Wohltäter, die den Gestrandeten unter die Arme griffen. Beim Kongress werden die Werdegänge und Schicksale der verschiedenen Autoren sowie ihre Werke beleuchtet und kontextualisiert.
Metropolis-Kino (Kleine Theaterstr. 10)
16:30 Obchod na korze (Der Laden auf dem korso) (CS 1964, Ján Kadár, Elmar Klos), 125 min
19:30 Kongress-Eröffnung
mit Verleihung der Willy Haas-Preise
Eröffnungsfilm:
Aus der Ferne sehe ich dieses Land
BRD 1977/78, Christian Ziewer), 100 min
Im Anschluss laden wir zu einem Umtrunk im Kino-Foyer ein.
09:30
Begrüßung
09:45 – 12:00
Panel 1: MENSCHLICHES TREIBGUT
Geoff Brown, London: The 5,000 Fingers Of Dr. H: Friedrich Hollaender And His Novel Of Exile, ‘Those Torn From Earth’
Réka Gulyás, Berlin: The Human Touch. Autoren des Films Tales of Manhattan und ihre Beiträge
12:00 – 12:30
Undine Beier, Berlin: Das Bundesarchiv – Recherche im Archivgut
13:45 – 16:00
Panel 2: FILMKRITKER IM EXIL
Michael Girke, Herford: "The Tradition of Lost Causes". Siegfried Kracauers Filmdrehbücher der Exilzeit
Julia Eisner, London: Lotte Eisner in exile: relocated and reinvented
Filmprogramm vom 24.11.
zum Seitenanfang
09:30 – 12:30
Panel 3: FLUCHTPUNKT FRANKREICH
Thomas Tode, Hamburg: Fragmentierung, Atemlosigkeit, Beklommenheit. Slatan Dudow im französischen Exil.
Heike Klapdor, Berlin: Films parlés. Die Filmtexte der Schriftstellerin Irène Némirovsky.
Christoph Fuchs, Hamburg: Herr Glass und die Geschichte. Eine ungewöhnliche Karriere in fünf Bildern.
14:00 – 16:00
Panel 4: AUTORENSCHICKSALE I
Deborah Vietor-Engländer, Darmstadt: »Ich schäme mich nicht zu sagen, dass ich gern (aber halten Sie sich fest) einen Versuch als Filmschauspieler machen würde«. Alfred Kerrs Filmskripte im Exil
Michael Omasta, Wien: Eine Stimme im Wind. Friedrich Torberg als Drehbuchproletarier in Hollywood
Filmprogramm vom 25.11.
zum Seitenanfang
09:30 – 11:30
Panel 5: AUTORENSCHICKSALE II
Brigitte Mayr, Wien: Dem Exil zum Trotz – Script: Anna Gmeyner. Eine Wiener Autorin im britischen Kino
Jan-Christopher Horak, Los Angeles: Gina macht Propaganda. Gina Kaus in Hollywood
11:30 – 12:00
Annika Souhr-Könighaus, Berlin: Das Bundesarchiv – Präsentation der Filmothek
13:00 – 15:00
Panel 6: VERSCHLUNGENE PFADE
Christian Rogowski, Amherst, Massachusetts: »Gewählter König von Holland«. Ludwig Bergers Amsterdamer Exil
Francesco Pitassio, Udine: Distance, Closeness, and Everything in Between. Willy Haas, between Cultures, Arts, and Eras.
15:15 – 16:00
Abschlussdiskussion
Filmprogramm vom 26.11.
Filmprogramm vom 27.11.
zum Seitenanfang
Im Anschluss an den Kongress werden die überarbeiteten Vorträge in einem Buch veröffentlicht, das im Herbst 2017 erscheint.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an kongress(at)cinegraph.de
Zur Vorbereitung auf Festival und Kongress fand vom 28. April - 1. Mai 2016 eine Sichtungsveranstaltung in Berlin statt.
zum Seitenanfang
Der 29. Internationale Filmhistorische Kongress ist integraler Bestandteil des XIII. Cinefest – Internationales Festival des deutschen Film-Erbes (19.–27.11.).
Die Vorträge des Kongresses werden in überarbeiteter Form anschließend in einem CineGraph Buch veröffentlicht.
Konzeption: Hans-Michael Bock, Erika Wottrich, Swenja Schiemann
Beratung: Karl Griep, Martha Meyer-Althoff, Heike Klapdor
Organisation: Erika Wottrich
Coordination Bundesarchiv: Roland Foitzik
Weitere Informationen bei:
CineGraph e.V., Schillerstr. 43, 22767 Hamburg
Tel.: +49-(0)40-352194, Fax: +49-(0)40-345864
email: kongress(at)cinegraph.de
Kontakt: Erika Wottrich, Swenja Schiemann
zum Seitenanfang