Der aus dem Osten vertriebene Hugo Starosta lebt seit Kriegsende mit seiner Familie in einer ehemaligen Festung, die als improvisiertes Flüchtlingslager dient. Die beengten Lebensbedingungen führen zu Spannungen unter den Bewohnern und jeder arrangiert sich auf seine Weise mit der Situation. Starostas Kinder schlagen sich mit Kleinkriminalität oder Prostitution durch, er selbst träumt von einem eigenen Pferdewagen, mit dem er den Nachbarn, die nach und nach die Festung verlassen, gegen Bezahlung beim Umzug helfen kann. Als sich dieser Wunsch tatsächlich erfüllt, geht zunächst auch alles gut, bis die motorisierte Konkurrenz ihm die Kunden wegschnappt. Die Festung wird schließlich offiziell geräumt, doch Starosta wehrt sich mit allen Mitteln dagegen, sein Heim zu verlassen. Schließlich geben die Behörden nach, Starosta darf bleiben und fortan als Fremdenführer in der Festung leben.
Towards the end of WWII, Hugo Starosta and his family were expelled from Eastern Europe and have since lived in a historical fortress in Germany, which is being utilized as a makeshift refugee camp. Living in tight quarters and poor conditions, everyone has to find a way to come to terms with the situation. While Starosta’s children cope by involving themselves in petty crime and prostitution, he dreams of having his own horse and wagon to earn some money by helping people move out of the camp. When his wish is actually fulfilled, life seems to improve, however motor vehicles soon claim both his customers and income. When the authorities finally step in to clear out the fortress, Starosta doggedly defends his home until they give in and allow him to stay under one condition he has to become the fortress’ tour guide.
Die Festung, die der ehemalige Bandenchef, spätere Zuchthaussträfling und jetzige Bestsellerautor Henry Jaeger im Titel seines ersten Romans verewigte, ist nicht etwa, wie man nach diesem Lebenslauf denken könnte, ein Gefängnis (mit dem deutschen Strafvollzug beschäftigt sich Jaeger erst in seinem soeben erschienenen dritten Buch); es ist ein heruntergekommenes Schloß, in dem etwa fünf Jahre nach Kriegsende eine Gruppe von Flüchtlingen haust.
In dem Film, den Alfred Weidenmann nach dieser Vorlage drehte, ist diese Festung nicht weiter lokalisiert, weder geographisch noch zeitlich noch soziologisch. Daß Weidenmann und seine Drehbuchautoren Sibelius/Keindorff zum Beispiel die Handlung um einige Jahre näher an die Gegenwart herangerückt haben, dient nicht bloß der Hinzufügung einiger neuer (etwa: Fernseh-)Gags; es ist symptomatisch für ihre Absicht, den sehr realistischen Schauplatz Jaegers als idyllische Staffage zu adaptieren, vor der sich nun eine kleine Comédie humaine entfaltet.
Weidenmann hatte offensichtlich keinen realistischen und schon gar keinen kritischen Film im Auge, auch wenn er sich äußerlicher realistischer Mittel bedient; die Frage, warum diese Menschen zehn Jahre nach ihrer Flucht noch immer derart kümmerlich zu sechst in einem Raume hausen (statt, beispielsweise, mit Hilfe eines LAG-Kredits in neue Wohnungen umzuziehen), bewegt ihn kaum: Ihn reizte am Stoff offenbar nur die Chance, eine Reihe von prägnanten, gelegentlich skurrilen Charakteren in ihrem eher spaßigen Kampf ums Dasein vorzuführen.
Die Einwände, die sein Film provoziert, richten sich insoweit weniger gegen den Film als gegen den Gebrauch, den er von seiner Vorlage macht. Ignoriert man für eine Weile dieses Mißverhältnis und der höchst unterhaltsame, routiniert inszenierte und teilweise blendend gespielte Film verführt nicht selten dazu , so gewahrt man immerhin eine Arbeit, die zweifellos aus dem allzu konventionellen Rahmen der gegenwärtigen deutschen Filmproduktion herausfällt.
Der Film steht und fällt (buchstäblich) mit seinem Hauptdarsteller Martin Held. Held spielt die Rolle des früheren Kutschers Hugo Starosta, und wie er sie spielt ist (fast) abendfüllend. Dieser Starosta, der über eine mehrköpfige Familie verfügt, steht im Mittelpunkt der Festung, er beherrscht sie, er triumphiert über die jämmerliche Umgebung.
Mutterwitz, eine komische, leicht vertrottelte Schläue und eine dekorative Zerlumptheit (die freilich keinen Augenblick als wirkliche Armut aufdringlich wird, siehe oben) sind die auffälligsten Ingredienzien dieser Figur, die Martin Held mit dem ganzen Volumen seines schauspielerischen Vermögens auffüllt und so erträglich, ja vergnüglich macht. Denn VERDAMMT ZUR SÜNDE ist eine Komödie; erst am Schluß, wenn Held als eine Art fröhlicher Kohlhaas mit Funkstreife und Feuerwehr kämpft, wird der Film zeitweilig eine Posse.
Nicht alle Schauspieler sind derart sicher (eine Ausnahme: die hinreißend komische Tilla Durieux), nicht alle Szenen hat Weidenmann gleichermaßen im Griff; vor allem dort, wo er ernste Konflikte anpackt, zeigt sich der Haken seiner Methode, an der Wahrheit zugunsten der Wirkung, an der Sache zugunsten der Pointe vorbeizusehen. Immerhin führt sie doch dazu, daß man sich nicht schlecht amüsiert, solange man noch im Kino sitzt; die Zweifel, ob dieses Vergnügen legitim war, kommen einem wenig später.
Armand Kesch: Martin Helds Alleingang
Die Welt, 17.10.1964