Katrin Lot ist Sportlehrerin und Trainerin aus Leidenschaft und liebt ihre Arbeit. Privat ist sie weniger glücklich. In ihrer Ehe mit Richard, Offizier bei der Volksmarine, ist längst alle Liebe erloschen. Katrin kann mit dieser Lüge nicht leben und drängt auf Scheidung. Aber Richard lehnt dies strikt ab aus Angst vor den gesellschaftlichen Folgen, aber auch wegen der Kinder. Katrin sieht keinen anderen Ausweg als strafbar zu werden, um Richard zu einer Scheidung zu bewegen. Als sie einen Rock stiehlt und zu drei Monaten Gefängnis mit Bewährung verurteilt wird, reicht Richard prompt die Scheidung wegen »moralischer Labilität« seiner Frau ein, um sein Ansehen und seine Stellung zu schützen. Die Ehe wird geschieden, die Kinder werden jedoch, entgegen dem väterlichen Einspruch, der Mutter zugesprochen. Katrin ist am Ziel, musste aber mit dem Verlust ihrer Stellung einen hohen Preis zahlen.
Katrin Lot is a sports instructor and trainer who has come to love and enjoy her job much more than her private life. Realizing that there is no love or passion in her marriage with Richard, a naval officer, Katrin can’t continue living a lie and wants to get a divorce. Richard objects strongly, fearing that a divorce will negatively impact both his social standing and their children. As a last resort, Katrin decides to commit a crime and get caught to convince Richard to end their passionless marriage. When she steals a skirt and is convicted and sentenced to three months probation, Richard promptly files divorce papers based on his wife’s “moral liability” to protect his reputation and status. Once they are divorced, Katrin is granted custody of the children despite Richard’s objections and she finally feels free. Having lost the job she loves in the process, she realizes that she has paid a high price for freedom.
Der Autor Egon Günther schrieb eine kleine Ehegeschichte unserer Tage und der Regisseur Egon Günther setzte sie filmisch um. In einer selten so glücklich anzutreffenden Personalunion entstand ein Film, über scheinbar ganz alltägliche Probleme, der aber zweifellos eine leidenschaftliche Diskussion auslösen wird. Es geht um eine landläufige, in dieser Form überall anzutreffende Ehe und um Probleme der sozialistischen Moral. Ich glaube, noch nie zuvor wurden diese Fragen so schonungslos dem Zuschauer auf der Leinwand vor Augen geführt und er zur Stellungnahme veranlaßt, wie in diesem Film.
Nichts wird beschönigt, keiner der Beteiligten von der Kritik verschont. Die Frage nach dem Wert einer in die Bahnen der Gleichgültigkeit, der nur noch Pro-forma-Bindung, geratenen Ehe wird so deutlich gestellt, wie man sie aussprechen muß. Eine derartige Bindung hat ihren Wert nicht nur für die Beteiligten, nicht nur für die Gesellschaft verloren, sondern wird, durch moralischen Druck, in welcher Form auch immer, oder durch Gesetzesbeschluß künstlich aufrechtzuerhalten, zu einer tiefen Gefahr. Und wenn Katrin Lot in dem Film auf die Bemerkung ihres Mannes, daß das Gesetz einer Scheidung nie zustimmt, verzweifelt ausruft: »Gesetze sind von Menschen geschaffen, und wenn sie sich als falsch erweisen, müssen sie korrigiert werden«, so kann man diesen Satz fast als Grundidee des Filmes bezeichnen. Sein Ziel ist es, den Dogmatismus in der Auslegung der Gesetze zu überwinden und der moralisierenden Umwelt zweier Menschen, die keinen gemeinsamen Weg mehr finden, ihr ganzes lächerliches, zutiefst spießiges Abbild vor Augen zu führen. Katrin Lot gelingt es am Ende, sich aus den Fesseln ihrer Ehe zu befreien, aber sie muß entwürdigende Umwege gehen, um die Freiheit ihrer persönlichen Entfaltung zurückzugewinnen.
Man muß Ja zu diesem Film sagen, vielleicht gerade, weil er unbequem ist und keine Patentlösung parat hält.
Gerd Focke: Lots Weib Ein bemerkenswerter DEFA-Film
Freiheit (Halle), 7.9.1965
Frau Lot, eine junge Turnlehrerin, verheiratet mit diesem Offizier, ist nur in den Augen ihrer Gesellschaft identisch mit dem biblischen Vorbild. In der Wirklichkeit dieses Films wendet sie sich nicht zurück. Sie erkennt klar, daß ihre Ehe gescheitert ist. Als ihr die Scheidung aus »bürgerlichen« Prestigegründen nicht gewährt wird, zerschlägt sie die gesellschaftliche Eierschale, in die sie verkapselt ist. Sie begeht einen Diebstahl. Ihr »reaktionärer« Ehemann das Militär scheint auch »drüben« nicht vor restaurativen Tendenzen sicher muß sich nun folgerichtig von ihr scheiden lassen.
Ein Modell des »Revolutionären im Kleinen«, in der Familie. Kein kommunistisches Modell. Die Situation jener Frau, der Mutter von zwei Kindern, ist auch im Westen möglich.
Egon Günther ist kein Realist. Er hat die »stereometrische Struktur« der Dramaturgie von Bertolt Brecht auf den Film übertragen. Deutlich lassen sich drei Ebenen, drei filmische Wertigkeiten unterscheiden. Da sind einmal »dramatische Szenen«, fast ganz dem schauspielerischen Gestus und Impetus überlassen, die Kamera folgt nur in sekundärer, dienender Funktion. In solchen »Szenen« werden die beiden Lots konfrontiert, ihre Auseinandersetzung wird ins Ausweglose geführt: Durchlaufszenen, wenige Schnitte zur Akzentuierung. Auf der zweiten Ebene (man müßte sie eine »philosophische« Ebene nennen) wird in Verhandlungen vor Gericht, vor Ausschüssen, in Kaffeehaus-Gesprächen die Klärung des auf der dramatischen Ebene Angestauten versucht. Schließlich gibt es noch einen dritten Bereich. Bei Brecht hätte er als lyrischer Bereich zu gelten. Bei Günther ist er ganz ins Filmische transponiert. Konzentrierte Wirklichkeiten, montierte Geräusche, überstürzend Aneinandergeschnittenes, Überblendetes, fast ohne Sprache, erheben eine Art optischen »inneren Monolog«. In solchen filmisch-lyrischen Sequenzen wird vor allem eine Eigen- und Gegenwelt von »Lots Weib« geschaffen, Voraussetzungen zur Entscheidung für sich und ihr Publikum.
Durchs Formale stellt es sich heraus: Dies ist ein Versuch des dialektisch formulierten Protestes, eine Anleitung zu weiteren Protesten. Dadurch ist Günthers Film LOTS WEIB unbequem, wo immer er gezeigt wird. In der »DDR« ist man inzwischen mutig genug, ihn zu spielen. Man sollte sich in der Bundesrepublik nicht etwa dadurch abschrecken lassen, daß Günther durch einige Kompromisse seinem Regime gefällig war. Jeder Bundesbürger wird merken, daß die Wandlung des »Politoffiziers« der schließlich die Haltung Lots verurteilt, nur aufgeklebt ist. Man wird aber auch spüren, daß man einer filmischen Ästhetik begegnet, die ein Recht hat, gehört und gesehen zu werden.
Bernhard Frank: Eine Frau in der sozialistischen Gesellschaft
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.5.1966