Die Tschechoslowakei unter deutscher Besatzung im Zweiten Weltkrieg. Der junge Tscheche Miloš Hrma beginnt seine Ausbildung als Zugabfertiger auf einer kleinen Bahnstation. Er ist in die Schaffnerin Máša verliebt, doch als er mit ihr schließlich im Bett liegt, versagt seine männliche Kraft. In seiner Ehre gekränkt, unternimmt er einen Selbstmordversuch, wird aber gerettet. Der Doktor erklärt ihm, dass »ejaculatio praecox« in Miloš‘ Alter ganz normal sei und er sich von einer erfahrenen Frau in die Liebeskunst einweisen lassen solle. Diesem Rat will Miloš folgen. Dabei hilft ihm sein Kollege Hubička, der sich bei Frauen gut auskennt. In der Zwischenzeit spitzt sich der Kampf zwischen Partisanen und Nazis zu. Miloš und Hubička planen einen Überfall auf einen Munitionszug. Miloš wirft die Bombe auf den Zug. Der Anschlag gelingt, aber er wird dabei getötet.
Czechoslovakia under German occupation during World War II. Miloš Hrma, a young Czech, begins his job as a dispatcher at a small train station. He has fallen in love with a conductor named Máša but when they are in bed together, his manly prowess fails him. His pride wounded, he attempts to take his life only to be rescued. The doctor explains that “ejaculatio praecox” is quite common at Miloš age and that the best cure is to seek the assistance of an experienced older woman in the art of lovemaking. From then on, with the help of Hubička, a co-worker with a wealth of experience with women, Miloš pursues a long-term goal. In the meantime, the fight between the resistance and the Nazis escalates and Miloš and Hubička plan to destroy an ammunition train. Miloš throws the bomb onto the train. The bombing is successful, but Miloš never returns.
Auf lange Strecken des Films SCHARF BEOBACHTETE ZÜGE scheint es so, als solle die gemütlich-heitere Geschichte eines Fahrdienstleiter-Lehrlings im Dienst auf einem kleinen ländlichen Bahnhof erzählt werden. Nur nebenbei erfährt der Zuschauer die scheinbar bedeutungslose Familiengeschichte des Burschen von Ahnen, die aus Faulheit zu Helden wurden und ebenso nebenbei erfolgt die Zeitbestimmung: Tschechoslowakei unter deutscher Besatzung.
Wenig geschieht: Der Bursch lernt Vorgesetzte hinters Licht zu führen, erste Kontakte zum anderen Geschlecht zu anknüpfen, seine Dienstzeit möglichst arbeitslos zu verbringen. An einem feuchtfröhlichen Abend stempelt man das entblößte Hinterteil der jungen Vertragsangestellten und kriegt dafür eine hochnotpeinliche Untersuchung auf den Hals. Die Atmosphäre wohlgemerkt: nicht der Film atmet Trägheit, ländliche Langeweile. Perfekt und für den Zuschauer durchaus kurzweilig ist diese Stimmung eingefangen.
Unmerklich nur schleicht sich auch äußere Spannung ein bis zur Selbstverleugung der wenigen erstklassigen Schauspieler und des Regisseurs unterspielt. Deutsche Munitionszüge kommen durch den Landbahnhof, dessen Personal wie selbstverständlich seiner patriotischen Pflicht nachkommt und den Zug in die Luft jagt. Die Tragödie des jungen Burschen, der diesen Sabotageakt im Dienst seiner nazibesetzten Heimat nicht überlebt, eines eben erst ins Leben Getretenen, der keine Gelegenheit mehr bekommt, es zu leben, diese Tragödie kommt als unvorbereiteter Schock, so, als müßte das so sein.
Sie machen nicht viel Aufhebens, sie verabscheuen das Heldentum, die Tschechen, sagt der Film, wenn es aber drauf ankommt, wenn ihr Land, ihr Menschsein sie braucht, dann stehen sie ihren Mann auch wenn sie noch gar kein richtiger Mann sind.
Die Methode des Films geht mit der inhaltlichen konform. Regisseur Menzel sind offenbar die aufdringlichen Heldengeschichten im Film der ersten Dutzend Nachkriegsjahre zum Hals hinausgewachsen. Er machte das genaue Gegenteil. Sein Publikum soll geradezu gezwungen werden, sich über die Belanglosigkeit langer Passagen des Films zu ärgern, um dann zu merken, daß ihm damit unter der Hand Wichtiges gesagt wurde.
Ein stilles Meisterwerk.
G. R.: Ein Schwejk des zweiten Weltkriegs
Volksstimme (Wien), 10.3.1967
SCHARF BEOBACHTETE ZÜGE geht auf eine längere Erzählung von Bohumil Hrabal zurück. Hrabal führt in seinen Erzählungen den Surrealismus fort, der sich in den dreißiger Jahren in Prag entfaltet hatte, und steht seinerseits in der Tradition einer Literatur, in der sich der Realismus mit dem Phantasmagorischen verbindet. Man wird an Kafka, aber auch an Hašek denken müssen. Nun wäre es freilich unangemessen, im Film Menzels eine sklavische Adaptation der Erzählung Hrabals zu sehen. So nahe verwandt der junge Filmkünstler dem älteren Schriftsteller im Geiste sein mag, Menzel verwandelt den literarischen Stoff seinem eigenen Naturell gemäß. [...]
Menzel hat in diesem Film, wie er selber sagte, Tragik und Obszönität miteinander konfrontieren wollen. Reden und Gedanken schweifen ums Bett, und der Dialog ist so unzimperlich wie das Bild, wiewohl beide durch den Humor aus der Aggressivität des Obszönen entrückt sind. Der Krieg, der zuerst den Hintergrund abgibt und dann in einem Ausläufer auch aktiv wird, ist für Menzel kein Grund, die Menschen auf einmal nun pathetisch zu sehen: die Erscheinungen des Lebens, Liebe und Freude, Leid und Schmerz, dürfen in ihrer tragikomischen Verstrickung durch das Thema Krieg nicht verschwülstigt werden. Das Heldentum ist entschwült, ohne daß im etwas von seinem Charakter des Edlen genommen wäre, ja es wirkt um so größer, als es im Wesen des jungen Mannes eigentlich nicht angelegt ist, sondern ihm, teils aus Mißgeschick, teils aus unerwartet gefundener Lebenslust, unvermutet zufällt. Die Erzählung ist in den Grundzügen realistisch, doch um diese Partikel des Realismus entzünden sich die Funken eines phantastischen und hintergründigen, oft auch schwankhaften, stets aber listig das Leben aufhellenden Witzes. Es ist ein Humor, der ein Lachen erweckt, das sich der Grausamkeit des Lebens entgegenwirft; das diese Grausamkeit nicht aber aufhebt, sondern sie in ihrer Erschütterung erst recht aufdeckt. Kein zynischer Humor also, sondern einer, der die Schwierigkeiten des Lebens gleichsam in Aphorismen verdichtet. Und die Wahl des Krieges als Thema wird geradezu durch dieses Lachen menschlich.
Ms. [= Martin Schlappner]: Lachen, das sich der Grausamkeit entgegenwirft
Neue Zürcher Zeitung, 12.10.1968