Die Versöhnung (1964)
Ein Mann, der von seiner Frau gelangweilt ist, geht auf's Oktoberfest. Er begegnet einer schwangeren Studentin, die mit ihm über die Problematik der bürgerlichen Ehe diskutiert, und kehrt schließlich nach Hause zurück.
Kleine Front (1964/65)
Drei junge Männer kommen aus dem Kino, fahren ins Münchner Umland und versuchen vergeblich, Zuchtforellen aus einem Teich zu stehlen. Sie kehren in einem Gasthaus ein, überlegen, wie sie Mädchen für den Abend bekommen und fahren zurück in die Stadt.
Frühstück in Rom (1965)
Ein Münchner Filmkritiker trifft sich mit seiner Freundin. Er schlägt vor zu heiraten. Sie erwägen an verschiedenen Orten das Für und Wider der Ehe und beschließen am Ende des Tages, unverheiratet zu bleiben.
Henker Tom (1966)
Ein Film über einen Typ, der versucht, mit einem Mädchen das Glücklichsein eines Werbefilmes auszuprobieren. Die beiden streifen durch München, fahren raus ins Grüne und vertreiben sich die Zeit mit zu schnellem Autofahren. Schließlich müssen sie erkennen, dass die Wirklichkeit kein Werbefilm ist.
Die Versöhnung
Wirklich eine einfache, alltägliche Geschichte: ein Mann holt eine Zeitung, frühstückt gelangweilt mit seiner Frau, geht auf's Oktoberfest und trifft eine junge Frau, die ihn durch ihr Selbstbewußtsein verwirrt zurückläßt, er kommt nach Hause, die Frau, im durchsichtigen Negligée, lustlos: »Ich dachte, du würdest später kommen.«
Die Nouvelle Vague ist hier sehr gegenwärtig: wie die Kamera (Max Zihlmann!) mit der Hand gehalten wird und ausgiebig schwenkt, wie Zitate und Verweise eingebaut sind (ein Heft »Film« am Kiosk, ein Zeitungsbericht von den Filmfestspielen in Venedig »Goldener Löwe und Rote Wüste«, der Verweis auf #Außer Atem# bei einer Einstellung mit dem Gewehr) oder wie Geschichten erzählt werden und die Illusion durchbrochen wird: nach einem Gespräch über die Zufälligkeit von Beziehungen und Unlust in der Ehe zitiert die Studentin direkt in die Kamera eine Passage aus Margaret Meads »Male and Female«. [...]
Aber im Vordergrund steht das Interesse für die Welt, die der Filmemacher kennt, die Aufmerksamkeit für Alltägliches, die Genauigkeit im Konkreten. Der Mann hat kurzes Haar, trägt Anzug und Schlips, die Frauen haben toupierte Haare, die Studentin trägt einen schwarzen Lackmantel das war 1964.
Karlheinz Oplustil: Die Versöhnung
Michael Esser (Red): Rudolf Thome. Berlin: Freunde der Deutschen Kinemathek 1983, S.
Kleine Front
Drei junge Männer suchen mit den vierundzwanzig Stunden des Tages auf möglichst unkonventionelle Art fertigzuwerden und sind in diesem Versuch immer wieder von der Tendenz zum Zeitstillstand und damit der Langeweile bedroht. Dieser Wechsel von Plänemachen, Aktion und Dahinbrüten ist dem Film gelungen. Das unlustige Herumblättern in Zeitschriften, das Herumstehen in der Landschaft und dagegen die kurzatmigen Aktionen eines versuchten Forellendiebstahls, des Beschaffens von Mädchen für den Abend dies alles macht den Tag zu einer Anstrengung, die der der entfremdeten Arbeit gleichkommt.
Es ist nur logisch, dass das Kino als zerstreuendes Ersatzleben zum festen Inventar solch mühsamer, unbefriedigender Tage gehört.
Dietlind Reck: Münchner Kurzfilme
Filmstudio, Heft 51, Oktober-Dezember 1966
In Lemkes KLEINE FRONT sind Interesse am Film und Interesse am Leben identisch: »Das Sujet des Films«, sagt sein Autor, »ist der Augenblick nach einer Vorführung von MADAME DE... oder MAJOR DUNDEE, wenn man wieder ans Tageslicht kommt ... Da meine Helden niemanden kennen, dem man ein Vermögen stehlen könnte, und da es im Forellenteich nicht einmal Forellen gibt, sind sie gezwungen, wieder ins Kino zu gehen und dort ihre Abenteuer zu erleben.« Lemke stellt, darin Godard ähnlich, die Traumfabrik vom Kopf auf die Füße: statt Kinowelt als Wirklichkeit zu zeigen, zeigt er die Wirklichkeit als Kinowelt, nämlich als eine Welt, in der Menschen leben, die ins Kino gehen. »Sie reden über ihre Abenteuer so, als würden sie über einen Film reden; ihr Abenteuer wird ein wenig irreal«, hat Lemke an seinen Helden beobachtet.
Enno Patalas: Ansichten einer Gruppe
Filmkritik, Nr. 5, 1.5.1966
Frühstück in Rom
Max Zihlmanns Figuren leben mit dem Kino. Der Held, ein flinker Bursche, ist bescheidener Filmkritiker (vermutlich bei der Süddeutschen Zeitung?), verdient damit einen bescheidenen Unterhalt; seine Freunde sind ebenfalls Filmkritiker (gewiß auch bei der Süddeutschen?), sie unterhalten sich beim Bummel darüber, wer wohl den neuen Film bespricht (»Ich mag nicht; willst Du?« darf Eckhart Schmidt fragen, aber dann bespricht er den Film doch). Zihlmanns Film ist ein Film über Münchens Cineasten, Zihlmann ist im Gespann Lemke-Thome (ein jeder taucht im Vorspann des anderen auf) derjenige, der am ärgsten in diese Filmwelt versponnen ist und das setzt voraus, daß jeder Zuschauer gleichfalls ein begeisterter Cinéast ist, der täglich zwei- oder dreimal ins Kino läuft. Dieser Blick aufs Kino versperrt Zihlmann denn auch den Blick auf andere Wirklichkeiten. So ist, was außerhalb dieser Kino-Wirklichkeit in das FRÜHSTÜCK IN ROM eingeht, wenig. Zihlmanns Filmkritiker trifft sich mit seiner Freundin im Restaurant zum Frühstück, er will sie, aus einer plötzlichen Laune heraus, heiraten. Das Frühstück also findet keineswegs in Rom statt, von Rom und anderen Illusionen wird lediglich gesprochen. Man gibt sich ein wenig und auf unsentimentale Weise Träumereien hin, aber man argumentiert sehr überlegt. Das Mädchen lehnt den Antrag ab, nicht weil er formlos ist, sondern weil ihr die (finanzielle) Basis für eine Ehe nicht gegeben scheint. So unbeschwert und unkompliziert spricht man heute über Ehe und Heirat: so formlos und schier nebenbei, wie es sich die FSK (»Abwertung sittlicher Bindungen«) nicht vorstellen kann.
Klaus Eder: Mit dem Kino leben. Erste Filme der Münchner Cinéasten
Film, Nr. 6, Juni 1966
Henker Tom
Spiele, Regeln, Konventionen strukturieren jeden von Lemkes Filmen, sei's daß deren Personen in ihrem Verhalten von ihnen bestimmt werden, sei's daß der Zuschauer sie als Folie des Geschehens wahrnehmen kann. In HENKER TOM zeigt Lemke einen jungen Mann und ein Mädchen, die einander herzlich zugetan sind; doch führen seine Versuche, sie zu unterhalten, durch sein mangelndes Verständnis für sie nur zu immer neuen kleinen Katastrophen. Durch die Spiele, die er ihr vorführt oder zu denen er sie animiert, unterhält er sie zunächst, bis sein Eifer und seine Beharrlichkeit sie zu ermüden beginnen. Andererseits zeigt er keinen Sinn für ihre Konventionen. Auch hier wird scheinbar Banales wichtig, steht keine thematische Ambition über, ist ein Film ganz er selbst.
Dadurch, daß Lemke den Konventionen, den Kinojagden, den Liebesspielen ihren Glanz beläßt, sie getreulich nachbildet, Mimikry betreibt, wirken seine Filme ausgesprochen elegant; es ist eine tückische Eleganz.
Mannheim: Ein Festival in seinem Widerspruch
Filmkritik, Nr. 12, 1.12.1966
Lemke, der Howard Hawks liebt, die Flipper und den Film, zeigt an Verhaltensweisen von jungen Leuten, die Howard Hawks lieben, die Flipper und den Film, daß diese Illusion in der Realität nicht praktikabel ist. [...] Wer will, kann mit Recht sagen, daß Lemke von dieser Umgebung also wenig hält, denn er sympathisiert mit seinen Freunden und korrigiert sie nicht, wenn sie sich vor den Existenzgewohnheiten abzusetzen versuchen in die Schweinsblase ihrer Vorstellungen, die Lesters Utopie verwandt ist. Er sagt nur plötzlich durch einen Kniff in der konstruierten Handlung, daß dieser Versuch Illusion war. Eine Vorstellung, wenn sie von Hatari bis Schwabing reicht, will Lemke nicht so zeigen, als reiche sie weiter. Auch das ist eine Realität, ihre Kehrseite. Aber die Hinweise auf die Bruchstellen fehlen nicht. Diese treten auf an der Reaktion meist denen der Sprache seiner Figuren auf einen Mechanismus der Story, den Lemke den amerikanischen Gangsterfilmen abgesehen hat, und den er in seinem letzten Film (DAS HAUS AM MEER, Oberhausen hat bereits zugegriffen) bis zu dessen Selbstdarstellung präzisiert. KLEINE FRONT ist ein Film über drei Typen, die versuchen, beim Forellenklauen einen Wildwestfilm zu erleben, der daran scheitert, daß man in Oberbayern keine Wildwestfilme machen kann. HENKER TOM ist ein Film über einen Typ, der versucht, mit einem lebendigen Foto von Mädchen das Glücklichsein eines Werbefilmes auszuprobieren, der daran scheitert, daß die Wirklichkeit kein Werbefilm ist. Nach diesem Mechanismus weiter fort funktionierend, doch jeder anders, sind die Muster des Klaus Lemke zusammen eigentlich schon so etwas wie ein langer Spielfilm.
Ilona Perl: Nachruf auf ein Festival
Film, Nr. 12, Dezember 1966