Der DDR-Grenzsoldat Gunter Rist verliebt sich in die Professorentochter Penny. Doch die sozialen Unterschiede zwischen dem verwöhnten Mädchen und dem einfachen Soldaten behindern ihre Liebe. Pennys am Westen orientierte Freunde akzeptieren Gunter nicht, und Penny hat nicht die Kraft, sich ganz auf seine Seite zu stellen. Ihrer selbst ganz unsicher fährt sie mit dem zynischen »Pfeifenbob« in den Urlaub. Gunter wird bei einem Unfall verletzt und lernt im Krankenhaus die junge Krankenschwester Li kennen. Die beiden verlieben sich. Doch dann schreibt Penny an Gunter und bittet ihn zu ihr zurückzukommen, da sie erkannt hat, wie sehr sie ihn braucht. Gunter ist zwischen den beiden Frauen hin- und hergerissen und glaubt, er müsse zurück zu Penny, um ihr zur Seite zu stehen. Li, die ein Kind von Gunter erwartet, lässt ihn gehen. Doch bevor Gunter eine endgültige Entscheidung zwischen den beiden Frauen treffen kann, wird er im Dienst von einer feindlichen Kugel getroffen und schwer verwundet.
When GDR border guard Gunter Rist falls in love with Penny, a wealthy professor’s daughter, the class differences between a rich girl and a soldier are a difficult barrier to overcome. Penny’s westernized friends don’t accept Gunter and she lacks the conviction to fully stand by him. Uncertain what she should do, Penny goes on holiday with a cynical friend named “Pfeifenbob”. While Penny is gone, Gunter is injured in an accident and falls in love with Li, a young nurse he meets in the hospital. Just as the new love story begins, Penny writes to Gunter begging him to come back to her, having realised how much she needs him. Gunter is torn between the two and believes that he has to return to Penny to support her. Li, who is expecting Gunter’s child, lets him go. Before Gunther can decide who he truly loves, he is severely wounded by enemy fire on duty.
Tiefes Nachdenken und quälende Zweifel hinterläßt der DEFA-Film JULIA LEBT. Er stellt bezwingende Fragen aber er gibt keine Antwort, provoziert zermürbende Ratlosigkeit. Es gibt Liebesszenen, die so fein, innerlich lebensvoll sind wie in keinem anderen Film unserer nationalen Produktion. Es gibt eine Bildsprache, die mit den Augen denkt, die den Zuschauer packt und festhält, ihn zur eigenen geistigen Verarbeitung des Gesehenen zwingt. Es gibt schauspielerische Leistungen von einer Kraft und Vielschichtigkeit, deren geradezu betörendem Glanz sich niemand entziehen kann. Es gibt eine Musik, die mit geringstem Aufwand die inneren Linien des Geschehens nachzuzeichnen vermag, ohne je zu illustrieren. Diese Bestandteile des Films deuten auf ein Meisterwerk die verfehlte Fabel macht ihn zu einem anfechtbaren, gescheiterten Versuch.
Dabei wird die Geschichte virtuos und ungewöhnlich erzählt, unter Aussparung aller Zwischenglieder, in strenger Konzentration auf das Wesentliche und optisch Eindringliche. Aber sie ist in ihren inneren und äußeren Verzahnungen fragwürdig. Zunächst geht sie vom Zusammenprall zweier völlig verschiedener Lebensräume und Gefühlswelten aus. Der junge Grenzsoldat Gunter Rist verliebt sich in die Professorentochter Penny Berger, die ihrerseits, in übersättigter Langeweile und inhaltsloser Exklusivität dahinlebend, von der frischen, geradsinnigen Klarheit des zielbewußten, freundlichen Soldaten stark angezogen wird.
Damit wäre das Thema gegeben die sittliche Reinigung eines jungen Menschen, die Überwindung von lähmendem Lebensüberdruß und verfeinerter Müdigkeit durch die Begegnung mit der rauhen, aber schönen, sinnvollen und lebenswerten Wirklichkeit. Die Filmautoren Konrad Schwalbe, Manfred Freitag und Joachim Nestler aber wollen es anders. [...]
Wir wollen keine Filme, in denen alles aufgeht wie ein Rechenexempel in der zweiten oder dritten Grundschulklasse. Es ist gut, wenn die Geschichte eines Kunstwerkes so ausklingt, daß man weiterdenken und sich über ihren möglichen Fortgang den Kopf zerbrechen kann. Es geht aber nicht an, dem Zuschauer einen ganzen Packen von Konflikten vor die Füße zu werfen und ihn damit achselzuckend allein zu lassen. JULIA LEBT läßt keine Idee mehr erkennen und das Anliegen seiner Schöpfer im Dunkeln.
Denn auch die unmittelbare Auseinandersetzung zwischen Gunter und Penny hat große Schwächen. Man hat sich einfach nicht genug Mühe gemacht, die luxuriöse, ästhetisch-dekadente, in überzüchteter Gepflegtheit und geistvollem Wohlleben schwimmende Welt Pennys glaubhaft zu kennzeichnen. Da ist alles auf den ersten Blick durchschaubar, und Gunter wird der Sieg über Pennys Freunde und Freundinnen sehr einfach gemacht. Die wirklichen Konflikte, die in diesem durchaus noch oder wieder vorhandenen und abseits unserer großen gesellschaftlichen Aufgaben stehenden Milieu verborgen sind, werden nicht berührt.
Dem Kameramann Werner Bergmann ist es zu danken, wenn der Film trotz dieser Mängel sich in vielen Szenen unvergeßlich einzuprägen weiß. Bergmann gibt der Liebe in den Szenen des Parks und des Strandes weiten Raum, macht durch seine kühnen Perspektiven den Himmel hoch und weit. Pennys Zimmer dagegen wird in sanft gleitenden Bewegungen behutsam abgetastet, erschließt sich dem Zuschauer mit den Augen des liebenden Soldaten. Und der Zwiespalt dieser Liebesbeziehung wird durch raffinierte Licht- und Schattenschraffuren verdeutlicht, mit einer Führung des Lichts, die stets gebrochen ist durch Jalousien oder Vorhänge. Die Gesichter läßt Bergmann oft im Schatten oder beleuchtet nur eine Seite, um aber dann durch winzige leuchtende Flächen ungewöhnliche, packende Wirkungen erzielen zu können. Stimmungen und Gefühle wachsen dadurch aus der technischen Dimension des schwarzweißen Schattenbildes heraus und übertragen sich unmittelbar auf den Zuschauer, der im Nachsinnen über vollendete Bildkompositionen zum Begreifen und tieferen Verstehen der erzählten Geschichte geführt wird, soweit das die Geschichte selbst zuläßt.
Hohen Anteil an den Qualitäten des Films hat die Darstellerin der Penny, Jutta Hoffmann. Ihre Ausstrahlungskraft ist geradezu betörend, ihre von einem hoch entwickelten Intellekt kaum gebändigte Sinnlichkeit von suggestiver Wirksamkeit. In ihrem Gesicht vermag sie Gefühle der unterschiedlichsten Art packend zu spiegeln. Jede winzige Reaktion, jeder kaum wahrnehmbare Gefühlswandel wird in ihm aufgefangen. Hier ist unsere Filmkunst um eine vielversprechende Begabung bereichert worden. [...] Peter Sindermann ist frisch und echt in seinen Reaktionen, von einer unaufdringlichen, niemals gemachten, sondern mit schlichter Menschlichkeit gefüllten Geradheit. Heinz Dieter Knaup gibt das bedrängende Abbild eines sich selbst anwidernden jungen Intellektuellen ohne Ziel und Leidenschaft, und Angelica Domröse verhilft der wenig profilierten Li zu Anmut und Natürlichkeit.
Christoph Juscke: Julia lebt
Filmspiegel, Nr. 23, 15.11.1963