Die Bundesrepublik Mitte der 1950er Jahre. In einer Kleinstadt erschießt die Jüdin Ruth Bodenheim den Bürgermeister Zwischenzahl bei dessen Amtseinführung. Der ehemalige SA-Mann war im »Dritten Reich« für die Deportation ihrer Eltern und ihre Verschleppung in ein Soldatenbordell verantwortlich. Die Behörden wollen die Sache vertuschen, um einen Skandal zu verhindern. Doch Ruth besteht auf einem Prozess, ganz anders als ihr Ehemann Dr. Martin, der die Vergangenheit lieber ruhen lassen will. Ruth ist jahrelang mit Beweisen für Zwischenzahls Schuld vergeblich von Behörde zu Behörde gelaufen. Schließlich schreitet sie selbst zur Tat und will auch die Strafe dafür in Kauf nehmen. Die Gesellschaft soll endlich die Wahrheit über ihren angesehen Bürger erfahren. Beeindruckt von Ruths Mut und Hartnäckigkeit entscheidet sich Staatsanwalt Dr. Hoffmann, den Dienst zu quittieren und ihre Verteidigung zu übernehmen.
Soll der Kritiker, der wie jeder andere DDR-Bürger voller Besorgnis und voller Empörung die Refaschisierung in Westdeutschland verfolgt, ausgerechnet bei einem solchen Film, der unbedingt zur rechten Stunde kommt, von gestalterischen Schwächen sprechen? Er bejaht die Thematik aus vollem Herzen. Er möchte weitere Publikumsschichten zum Besuch anregen. Soll er da aussprechen, daß die Gestaltung nicht befriedigt, ja, dem Thema Abbruch tut? (Wobei er gleichzeitig vermutet, daß gerade diese seines Erachtens dem Thema ungemäße »Machart« einem Teil der Zuschauer durchaus gefällt.) [...]
Als ich vor Monaten in einer Mustervorführung im Studio gerade jene Szene sah, in der die Heldin, bezaubernd anzusehen mit einer dekorativen weißen »Kummer«-Strähne im vollendet frisierten Haar, von kostbarem Pelzwerk umgehen, den Nazi Zwischenzahl erschießt, überlegte ich, daß der Film starke Argumente brauchen würde, um diesen Mord in Schönheit, diese attraktive Mörderin menschlich, gesellschaftlich glaubhaft zu machen.
Der Film, so wie er erzählt wird, in perfekt ausgeleuchteten gefälligen Bildern, die selbst das Inferno der Vergangenheit als eine Art Genreszene darbieten (Bordell, Selbstmord im Unterrock), die an der Fassade des westdeutschen Wirtschaftwunders hängen bleiben, ohne zum Wesen der Dinge vorzudringen, kann diese Argumente nicht liefern.
Es fehlt beinahe kein Klischee des gehobenen Unterhaltungsfilms, weder das Konzert des feinnervigen Pianisten, der einzig für die Heldin spielt, noch der selbstvergessene Solotanz des Paares in seinem gepflegten Heim, nach der der Gatte die Gattin zum Kanapee trägt. [...]
Auseinandersetzungen finden bevorzugt im Nachtclub, also in Smoking und Nerz statt, wobei die schönen Beine einer Animiertänzerin das Auge und eine gefällige Musik das Ohr erfreuen. Die Darsteller kommen auf diese Art gar nicht heraus aus der feinen Kleidung. Selbst in der so hörte man bisher peinigenden Untersuchungshaft wird ein unsichtbarer Friseur bemüht, damit die Heldin in Schönheit leiden kann. [...]
Der Film ist von einer so angenehmen Traurigkeit, daß keine (oder doch fast keine) Erschütterung aufkommt. Bei einem solchen Stoff ...
Rosemarie Rehahn: Schwierigkeiten beim Schreiben einer Filmkritik
Wochenpost (Berlin/DDR), Nr. 17, 24.4.1965