Der Ingenieur Tom Breitsprecher soll auf einer Großbaustelle der DDR den Arbeitern bunt zusammengewürfelte Mitglieder einer Jugendbrigade, die größtenteils noch nie auf dem Bau gearbeitet haben das Nötigste beibringen. Frustriert von deren Unvermögen und den politischen Parolen gerät der unpolitische Tom mit der FDJ-Sekretärin Grit aneinander. Doch in ihre Streitereien mischt sich auch immer stärkere Zuneigung. Grit, deren Ehe sich in einer Krise befindet, lässt sich auf einen Flirt mit Tom ein, der als Frauenheld gilt. Schon bald spüren beide, dass sie sich ernsthaft verliebt haben. Gefangen zwischen alten Moralvorstellungen und neu entdeckter Liebe, suchen sie einen Ausweg. Und dann ist da auch noch das Kollektiv, das von Grit vorbildliches Verhalten verlangt. Grit steht jedoch zu ihrer Liebe und möchte sie nicht aufgeben.
Civil Engineer Tom Breitsprecher is employed to train a motley group of inexperienced workers from the Jugendbrigade on a large construction site in
Ich glaube, das ist ein Film, der den Zuschauer länger beschäftigt als einen Kinoabend lang, weil er Menschen zeigt in der Auseinandersetzung mit sich selbst und ihrer Umwelt, Menschen auf der Suche nach ihrem Platz in unserem Leben. Das ist interessant, das bewegt mich. Und es interessiert und bewegt mich, zu sehen, wie hier junge Künstler selbst auf der Suche sind, auf der Suche, das Schwierige-Schöne der Gegenwart einzufangen.
Es ist ein Liebesfilm, keiner, der die Liebesgeschichte nur als Anreiz für den Zuschauer benutzt, dem er in Wahrheit etwas ganz Anderes erzählen möchte und erzählt. Es geht hier wirklich um Liebesbeziehungen, um komplizierte, widerspruchsvolle Beziehungen zweier sehr verschiedenartiger Menschen.
Sie begegnen sich auf einer Jugendbaustelle der Republik. Tom ist ein ausgezeichneter Ingenieur, sonst aber leichtfertig, skeptisch, auch in der Liebe. Einer aus der Generation jener, die als Kinder begeistert für den »Führer« sterben wollten und sich und den anderen diese Begeisterung später so übelnahmen, daß sie fortan ohne aufwendige Gefühle durchzukommen beschlossen.
Grit, die junge Genossin Grit, ist aus der Windstille ihrer Ehe, in der alle Probleme, einschließlich der des Sozialismus im Alleingang von ihrem Mann gelöst wurden, hinausgeraten ins Leben. Sie muß sich auseinandersetzen, mit Tom mit sich selbst. Tom löst nicht Probleme, er gibt ihr welche auf.
Sie lieben sich in einer Liebe, die sie beide verändert, bereichert, die sie wachsen läßt doch es ist eine verbotene Liebe, die sie von den besten Freunden und Genossen trennt. Wie soll es weitergehen? Der heiß diskutierte Roman von Karl-Heinz Jakobs endet mit keiner Patentlösung, auch für den Film, dessen Drehbuch der Autor gemeinsam mit dem Regisseur Ralf Kirsten schrieb, wurde keine gefunden. Klar ist nur, daß die beiden zusammengehören über den Sommer hinaus.
Der junge talentierte SONNENSEITE-Regisseur Ralf Kirsten fand in Christel Bodenstein und Manfred Krug eine auf den ersten Blick überraschende Besetzung des komplizierten Liebespaares. Ich glaube, daß gerade der junge Zuschauer ihm folgen und den Film-Tom, die Film-Grit als seine Weggefährten akzeptieren wird.
Manfred Krug schreitet mit jener raumgreifenden Lässigkeit über die Leinwand, die das Publikum so an ihm liebt. Doch bei der nächsten Wendung schon schaut hinter der selbstsicheren Kaltschnäuzigkeit ein bißchen Ratlosigkeit hervor, ein bißchen Traurigkeit und Sehnsucht. Gerade immer soviel, daß du gepackt wirst weiterzuforschen. Der Held und sein Publikum sind im Bunde, weil beide Fragen zu beantworten haben. Im übrigen ist schwer festzustellen, wo Manfred Krug aufhört und Tom Breitsprecher beginnt. Sie scheinen dir unter der Hand zusammengeschmolzen.
Christel Bodenstein zeigt als Grit ihre bisher reifste Leistung. Sie überrascht durch den schönen klaren Ernst eines jungen suchenden Menschen. Am überzeugendsten, gelöstesten erschien sie mir in den bezaubernden Szenen verspielter Sommerliebe, gehemmt noch im leidenschaftlichen Erleben doch immer anrührend in einer mädchenhaften Anmut und Sauberkeit.
Für unser DEFA-Studio bedeutet dieser Film der »Gruppe 60« einen Schritt nach vorn in der Gestaltung der Gegenwart auch wenn manches darin nicht gemeistert wurde. Noch keiner unserer Filme ist so nahe herangekommen an die Jugend auf den Baustellen des Sozialismus, hat so ernsthaft und leidenschaftlich versucht, unsere Zeit im Gesicht ihrer jungen Erbauer einzufangen.
Gerade darum möchte man herausfinden, warum der Film nicht voll gelang. Er steht, wie ich das sehe, in begreiflicher und begrüßenswerter Opposition zu schematischen Produktionsfilmen nach der Art des #Erich Kubak#, indem er die menschlichen Probleme ganz dicht vor die Kamera holt. Dabei aber ist ihm, wie ich glaube, unversehens der Ausschnitt des Lebens etwas zu eng geraten. [...]
Der Zuschauer erlebt besonders im zweiten Teil des Films zuwenig von der erregenden Atmosphäre des Baus, der vorwärtsdrängenden Menschen. Die Welt der Grit, die das Gesicht von Schibulla (eine großartige Leistung von Günter Grabbert), Regine, Kamernus, Grell, des Jungen Dschick (Hans-Peter Reusse) trägt, gewinnt zuwenig Aktivität. Sie gewinnt zuwenig Aktivität, auch in den Beziehungen der Liebenden. Diese Welt aber ist es doch, die Tom in der Geliebten sucht, die er sich schließlich durch seine Liebe, so widerspruchsvoll das auch vor sich geht, erobert.
Noch eins: Der Film hat wunderschöne, heiter-verspielte Liebesszenen, in denen du den Sommerduft des Waldes, der Wiese spürst (Kamera: Hans Heinrich), er meidet (warum?) das große Gefühl, dieses »fürs ganze Leben« das ich aber brauche, um mit vollem Herzen einem Glück zustimmen zu können, das immerhin für einen dritten Unglück bedeutet.
Ein Film, in dem manches nicht gemeistert ist und doch: ein Vorstoß in die Gegenwart. Ein Vorstoß ...
Rosemarie Rehahn: Beschreibung eines Sommers
Wochenpost, Nr.4, 26.1.1963