Weiße Sonne der Wüste (Beloe solnce pustyni)
Nach Ende des russischen Bürgerkriegs zieht der Rotarmist Sukhov durch die mittelasiatische Wüste in Richtung Heimat. In seinen Gedanken ist er schon daheim bei seiner sehnsuchtsvoll wartenden Frau. Doch dann erhält er den Auftrag, den von Rotarmisten befreiten Harem des grausamen Bandenhäuptlings Abdulla sicher durch die Wüste zu geleiten. Widerwillig nimmt sich Sukhov der Frauen an. Doch nicht nur die Haremsschönheiten, die in ihm ihren neuen Herren sehen, machen Sukhov das Leben schwer, sondern auch der wütende Abdulla, der seinen Harem tot oder lebendig zurückhaben möchte. Schließlich stehen sich Sukhov und Abdulla in einem erbitterten Showdown gegenüber, bei dem Sukhov ein ehemaliger Zollbeamter und ein armer Bauer heldenhaft zur Seite stehen.
After the end of the Russian civil war, Red Army soldier Sukhov is homeward bound through the deserts of central Asia, dreaming that he is already back with his wife, who is waiting longingly for him. He unexpectedly is ordered to lead a harem, which was freed by the Red Army from the cruel bandit chief Abdulla, through the desert. Reluctantly, Sukhov accepts the assignment. His life is then made difficult not only by the women, who see him as their new master, but also by Abdulla who wants his harem back, dead or alive. Finally Sukhov, with the help of a former customs officer and a poor peasant, and Abdulla face off in a fierce showdown.
Rotarmist Suchow: demobilisiert, nachdem er in den Wüsten Mittelasiens tapfer gegen die Konterrevolution gekämpft hat. Auf dem Weg in die Heimat, mit jedem Schritt durch den Wüstensand dem Ziel seiner Sehnsucht näher, der inniggeliebten Dame seines Herzens, an die er Briefe voll altmodisch überschwenglicher Wendungen richtet. Ein Mann, für den der Krieg zu Ende ist...
Ist er zu Ende? Denkste! Das Abenteuer fängt erst an. Die Wüste steckt voller Überraschungen. Suchow buddelt einen dem Dursttod preisgegebenen Bluträcher aus, ist plötzlich Beschützer von neun befreiten Haremsschönheiten, die nicht begreifen wollen, daß sie nun freie Frauen des sowjetischen Ostens sind und nicht etwa nur ihren Herrn gewechselt hätten, Suchow nun also gehörten; und er hat eine gefährliche Begegnung mit dem Gatten dieser orientalischen Grazien, der der Hauptmann einer schlimmen Räuberbande ist, wobei Dynamitkisten, der Geheimgang einer alten Festung am Kaspischen Meer und die jäh aufkeimende Kampfeslust eines alten Haudegens aus Zarenzeiten eine große Rolle spielen.
In dem sowjetischen Farbfilm Weiße Sonne der Wüste betreibt Regisseur Wladimir Motyl ein übermütiges Aktionsspiel, in dem ein Überfall den anderen jagt, blitzschnell die Situationen wechseln, viel und scharf geschossen wird, leuchtender Mannesmut gegen finsteres Schurkentum steht und, um siegreich sein zu können, unbedingt der Ergänzung durch raffinierte List bedarf.
Doch vor allem ist Komik im Spiel; immer wieder sagt ein Augenzwinkern, daß dies alles gar nicht so ernst gemeint sei. Das aber macht das abenteuerliche Filmspektakel auch vergnüglich für den, dem bloße Spannung nicht genügt, und Suchows unwahrscheinliche Heldentaten gewinnen durch die würzende Zutat von Humor und Ironie sehr.
ch [= Helmut Ullrich]: Humorgewürzte Abenteuer
Neue Zeit (Berlin), 2.4.1971
Waldimir Motyls Weiße Sonne der Wüste kommt zunächst als handfeste Abenteuergeschichte daher. Der demobilisierte Rotarmist Suchow erhält den ungewöhnlichen Auftrag, den Harem eines Bandenhäuptlings an einen sicheren Bestimmungsort zu bringen. Damit entrollt sich ein Knäuel turbulenter Entwicklungen, vergleichbar einem orientalischen Märchen. Geschichten aus dem Zaubersack der Fabulierkunst werden vor dem Betrachter ausgebreitet. Man ist spürbar beteiligt, amüsiert und vortrefflich unterhalten. Aber nicht nur das: Man registriert mit Freude, daß auch ein Füllhorn voller Parodien auf gängige Abenteuerklischees ausgeschüttet wird. Für das Gelingen war das Wie entscheidend: keine banalen Karikaturen, die meist die sichere Garantie für das Mißlingen darstellen, kein abschätziges Belächeln. Vielmehr liebevolles schmunzeln und scheinbar angedeutetes Einverständnis. Die Helden werden ernstgenommen und doch ein paar Kragenweiten zu groß geliefert. Prächtige runde Charaktere: der sich nach der Geliebten sehnende Suchow, der ehemalige Vorsteher eines Zollamts und großsprecherische Recke Werestschagin. Motyl persifliert die bewährten Mittel des Abenteuerfilms. Aber vor feinem Spott steht zunächst einmal ihre Beherrschung. Und zwar in einer Vollendung, die Anerkennung und Bewunderung erheischt. Weiße Sonne der Wüste ist eine Trumpfkarte des Abenteuerkinos an neuen Ufern.
Fred Gehler: Die Lust am Kino
Filmspiegel, Nr. 18, September 1971