Sozialkritisches Historiendrama über den Bau des Simplontunnels. Zwischen deutschen und italienischen Arbeitern entwickeln sich Interessenskonflikte: Während die Deutschen streiken und für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen wollen, wollen die Italiener vor allem Geld verdienen, um ihre Familien zu ernähren. Der Deutsche Erich, in seiner Heimat als sozialistischer Agitator gesucht, will eine Gewerkschaft aufbauen. Der Italiener Antonio liebt heimlich Erichs Freundin Rosa und verrät ihn an die Polizei, bereut dies aber sofort, da er Erichs Potential als Arbeiterführer erkennt. Erich kommt ins Gefängnis und Rosa heiratet Antonio, da sie nicht mehr an Erichs Rückkehr glaubt. Doch der steht plötzlich in der Tür und sorgt für Spannungen zwischen Rosa und Antonio. Ein Wassereinbruch im Tunnel und der folgende Arbeitsstopp verursachen eine Hungersnot unter den Arbeitern. Es gelingt Erich und Antonio schließlich mit einer gefährlichen Sprengung, das Wasser ablaufen zu lassen. Der Tunnel kann fertig gebaut werden und auch die beiden sind wieder miteinander versöhnt.
A sociohistorical drama about the construction of the Simplon-tunnel: A conflict develops when German workers want to strike and fight for better working conditions while Italian workers simply want to earn money and provide for their families. Erich, a German who has been accused of spreading socialist propaganda, wants to start a union. Antonio, an Italian who secretly loves Erich’s girlfriend Rosa, reveals the plans to the police. After the fact, Antonio realizes that Erich may have been the best leader for the workers, and regrets what he has done. Erich is sent to jail and
Der Film hat das große Thema nicht richtig in den Griff gekriegt. Das beginnt schon beim Buch, das der Regisseur Gottfried Kolditz nach der Erzählung eines italienischen Autorenkollektivs schrieb, in dem so vielversprechende Namen wie Pratolini und Lizzani genannt werden. Eine Anhäufung von Konflikten und ungewöhnlichen Ereignissen nimmt dem Film die Möglichkeit der psychologischen Vertiefung, des Ausspielens der Situationen und Gefühle. Ein alter Arbeiter kommt ums Leben, als er die Klassengenossen vom Bruderkampf abhalten will, ein anderer ersticht den Kettenhund der Kapitalisten, der ihm die Tochter verführt hat, und opfert dann sein durch die Verzweiflungstat verpfuschtes Leben für das Wohl der anderen. Ungeheuerliche Ereignisse, jedes geeignet, einen neuen Film abzugeben, geschehen hier so ganz nebenbei, außerhalb des Hauptkonflikts, in dem es um die komplizierten, widerspruchsvollen Beziehungen dreier Menschen geht, eines sozialistischen deutschen Arbeiters, eines Italieners und des Mädchens, das zwischen den beiden steht. Bei diesem Zuviel an Problemen aber muß der einzelne Konflikt gleichsam im Vorübergehen gelöst werden und bekommt dabei einen fatalen Stich ins Banale. Der Film geht nicht unter die Haut, selbst die große Solidaritätsszene berührt nur schwach das Gefühl, die Liebesgeschichte läßt kalt.
Mitbestimmend für das magere Ergebnis der künstlerischen Bemühungen von Regisseur Gottfried Kolditz, Kameramann Günter Eisinger und eines Kollektivs befähigter Darsteller ist der deutsche Alleingang bei diesem Stoff, der ursprünglich als deutsch-italienische Koproduktion geplant war. (Man stelle sich einmal Sterne ohne das bulgarische oder jüdische Element vor!) Simplon-Tunnel, mit selbsthergestelltem Italien, das schmeckte mehr nach deutschem Bier als nach Wein. Nicht einmal die Landschaft, für die das grandiose Panorama der Hohen Tatra und eine Totalvisionskamera zur Verfügung standen, kommt richtig ins Spiel.
Es fällt schwer, die Leistungen der Schauspieler zu beurteilen, eben weil die Rollen zu skizzenhaft angelegt sind, eben weil die italienische Mentalität nicht zu schaffen war. Alle sehen sie irgendwie verkleidet aus, es fehlt die Suggestion des Wirklichen. So konnten nur die Darsteller der deutschen Seite tieferen Eindruck hinterlassen, vor allem Johannes Arpe als deutscher Ingenieur und Otto Mellies als der junge Spezialist.
Rosemarie Rehahn: Simplon-Tunnel
Wochenpost, 27.6.1959
Immer, wenn die Spannung zwischen Deutschen und Italienern ihren Höhepunkt erreicht und in offene Fehde übergeht, tritt ein klassenbewußter Arbeiter auf, der mit einfachen Worten Notwendiges, Klares sagt. Das genügt aber nicht für einen Film, dem diese Aussagen das Hauptanliegen sind. Es wäre wichtig gewesen, dies aus der Handlung heraus überzeugend zu entwickeln, das allmählich sich festigende Bewußtsein der Arbeiter zu zeigen. Hier finden, sofern überhaupt erkennbar, diese Entwicklungen außerhalb der Filmhandlung, zwischen den Szenen, statt. Was die Arbeiter lernen im Laufe ihrer jahrelangen gemeinsamen Arbeit am Tunnel, das ist eher Kameradschaft als Solidarität. Sie lernen sich schätzen als wackere Männer, Klassenkämpfer werden sie alle nicht, weder der anfangs feige Antonio, der an dem deutschen Sozialdemokraten lediglich die charakterliche Haltung schätzen lernt, noch Salvatore, der aus persönlichen Gründen den gemeinsamen Antreiber Tassoni ersticht.
Was der Film zeigt, ist eine sehr eindrucksvolle, interessante Darstellung von dem heroischen Ringen der Arbeiter um den Bau des Simplon-Tunnels. Ein Epos dieses stolzen Sieges. Was der Film zeigen wollte, war weit mehr. Und darin liegt sein Mangel.
Manfred Merz: Der Kampf um den Simplon-Tunnel
Neue Zeit (Berlin/DDR), 18.6.1959