Drama über den italienischen Widerstand im Zweiten Weltkrieg, basierend auf dem Aufstand der Neapolitaner gegen die deutsche Besatzungsmacht im September 1943. Ständige Luftangriffe zermürben die Einwohner von Neapel, da wird der Waffenstillstand zwischen Italien und den Alliierten im Radio bekannt gegeben. Auf die anfängliche Freude über das vermeintliche Ende des Krieges folgt schnell grausame Ernüchterung, als die deutschen Militärs italienische Deserteure öffentlich hinrichten und die männliche Bevölkerung internieren und zwangsrekrutieren lassen. Schnell formieren sich die aufgebrachten Bürger Neapels zu einem heftigen Widerstand, der in erbitterten Straßenkämpfen seinen Höhepunkt findet. Episodenhaft werden einzelne Schicksale vorgestellt, darunter das des 10-jährigen Gennarino Capuozzo, der beim Kampf gegen die Invasoren zwischen den Barrikaden getötet und später als Held verehrt wird. Schließlich gelingt es den Aufständischen, die deutschen Besatzer aus der Stadt zu treiben.
Drama about the Italian resistance in World War II, based on the Neapolitan riot against German occupation in September 1943: Constant air raids wear out the citizens of
Wenn das Maß der Qualität eines Films von den Polemiken abhinge, die er hervorruft, dann würde Die vier Tage von Neapel zweifellos zu den bedeutendsten Produktionen des jüngeren italienischen Kinos zählen. Die Deutschen haben protestiert und behauptet, sie hätten nichts davon gemerkt, sich Ende September 1943 in Neapel gegen einen Aufstand gewehrt zu haben; und auch bei uns haben einige in Zweifel gezogen, dass sich die Ereignisse tatsächlich so abgespielt haben, wie der Film sie erzählt. Seinerseits hat Nanni Loy, der Regisseur, behauptet, sehr genaue Recherchen angestellt zu haben, und wir glauben, dass wir ohne weiteres seinem Einsatz und seinem guten Glauben Vertrauen schenken sollten.
Aber eine Sache sind die Forderungen an eine gut belegte Chronik und Geschichte, etwas anderes jene an die Kunst: So gibt es manchmal eine künstlerische Wahrheit oder besser gesagt eine künstlerische Wahrscheinlichkeit, die wenig oder gar nichts mit der eigentlichen Wahrheit zu tun hat. Und an einer solchen scheint es zu fehlen in Die vier Tage von Neapel. [...]
Im Film schwebt eine subtile Rhetorik mit, von der wir hofften, sie sei aus unserem reiferen Kino verschwunden: eine Rhetorik, die den Zuschauer unvermeidlich zu einer enthusiastischen oder verurteilenden Haltung führt. Die Deutschen werden auf eine Weise dargestellt, die jede Menschlichkeit ausschließt, und zwei oder drei Episoden erschreckender und sinnloser Grausamkeit (die Erschießung eines Matrosen, die Maschinengewehrsalven auf ein vollgefülltes Flüchtlingsboot) weisen makaber und eloquent in diese Richtung. Ihre Gegner hingegen benehmen sich oft so heldenhaft wie es eher zu einem Western passt als nach Mergellina. [...]
Die Inspirationsquellen von Loys Film könnte man in jenen, zur Mode gewordenen Filmen finden, die sich auf Monicellis Man nannte es den großen Krieg und Comencinis Der Weg zurück beziehen [...]. Aber dieser neue Film übertrifft in vielerlei Hinsicht seine Vorbilder und verbindet auf bewundernswerte Weise die Komik mit der Tragödie. Auf eine heroische Geste folgt eine witzige Bemerkung, die Lachen erzeugt, dem kurz danach ein Schrecken folgt, und so gelingt es Loy auf geschickte Weise, eine konstante emotionale Spannung aufrecht zu erhalten, die den Rhythmus des Films ausmacht.
Angelo Solmi: Le quattro giornate di Napoli
Oggi, Nr. 50, 13.12.1962.
Wieso betont man in Loys Film die unterschwellig sicherlich wirksame antideutsche (besser antinationalsozialistische) Tendenz? Und nimmt statt dessen nicht wahr, wie echt dieser Film im Lebensgefühl eines mediterranen Volkes verwurzelt ist, in jener Nostalgie, in Ruhe gelassen zu werden, in Frieden leben und arbeiten zu können, in jener Abneigung gegen das Heldentum, vor dem ein Panzer ganz gesunder Feigheit schützt und zu dem man dann schließlich doch, wenn auch nur für Augenblicke, gezwungen wird, gerade weil man die Ruhe und den Frieden will. Stärker als das Loblied auf den Soldatenmut des Aufstandes ist in Nanni Loys Film das Epos dieses Lebensgefühls, das Epos der Menschen, die geprägt sind von dem durch die Generationen wirkenden Erlebnis des Ausharrens, der Liebe zum Leben, die immer anarchisch ist in ihren Konsequenzen, und der Geduld, die unter dem Schwall der südlich temperamentvollen Worte dieses schwere Leben trägt, auch wenn es nach außen keine bürgerliche Verantwortung zeigt.
Darum hat auch Nanni Loy die Darsteller seines Films in der Anonymität belassen, obgleich einige bekannte Schauspieler unter ihnen sind. Mit nuancierter Begründung schließt er an die ehemalige Forderung des ersten Neorealismus gleich nach dem Kriege an, daß das Volk sich selber darstellen soll; daß der Laienspieler, weil er Typus und Individualität autochthoner verkörperte als jeder Berufsdarsteller, die Wahrheit garantiere. Unter Loys faszinierender Führung werden denn auch in der Tat die Schauspieler [...] völlig in die Anonymität zurückgeholt. Keinem wird mehr Recht, in den Vordergrund zu treten, zugebilligt als auch den Volksspielern, und sie alle sind nur knapp formulierte reliefartige Ausbildungen auf dem Hintergrund des gewaltigen Freskos, das Nanni Loy mit diesem Film von der Masse geschaffen hat.
Martin Schlappner. Ein Fresko des Volkes
Neue Zürcher Zeitung, 29.8.1963
Nanni Loy ist zweifellos ein engagierter Mann, der den Film als Mittel für seine Aussagezwecke benutzt. Er bedient sich dabei des neoveristischen Stils, das heißt, seine Darsteller sind Laien (prächtige Typen übrigens unter ihnen, die manchen »Gelernten« in die Tasche stecken), und stellt die Schilderung jener Tage kulissen- und fast formlos in die authentische Umgebung. Er könnte packen, aber er packt nicht, weil der junge aufgeregte Mann nicht erkennen läßt, was und wen er zu treffen gedenkt.
Einmal will er Pazifismus predigen, schwelgt aber dabei derart im Grandguignol-Theaterstil, daß man den Verdacht nicht los wird, pure Effekthascherei sei im blutigen Spiel. Der Colt von Neapel wird nicht kalt. Kinder spielen »Krieg« wie »Räuber und Gendarmen«. Leichen und Verwundete häufen sich, und es häuft sich der Kitsch, getarnt als Poesie am Rande der Schlächterei.
Zum anderen will Loy die beiderseitige massenpsychologische Verwirrung aufzeigen und anprangern, wobei es sich mit der landsmännischen Vergangenheitsbewältigung so leicht macht, daß er nur ein Schwarzhemd für den gesamten Faschismus setzt. Die übrigen zwar blutigen, aber dennoch weißen Westen sind von nationaler Emphase geschwellt.
Der törichte Einwand Noch- oder Wiedernazis, der Regisseur betriebe Deutschenhetze, könnte höchstens davon überzeugen, Nanni Loys Film sei eine Notwendigkeit. Doch des Regisseurs Erklärung: »Krieg dem Kriege«, in der laut Programmheft »die Toten ›Garanten‹ des nun beginnenden wirklichen Friedens« sind, überzeugt nicht. Seine kriegerische Apokalypse ist zu sehr »gekonntes« Film-Furioso.
D.F.: Der Colt von Neapel
Telegraf (Berlin), 7.2.1964