Sozialdrama über einen italienischen Gastarbeiter auf der Suche nach seinem Glück im kalten und abweisenden Norddeutschland. Als Mario in Hannover seinen Job verliert, will er eigentlich wieder zurück in seine Heimat. Doch in einem italienischen Restaurant stiehlt ihm der Gauner Totonno seinen Pass. Später nimmt er Mario dann unter seine Fittiche und unterweist den naiven Jungen vergeblich im Geschäft des Trickbetrugs. Totonno nimmt ihn dennoch mit nach Hamburg, wo Mario in einen Bandenkrieg von Deutschen, Italienern und Polen um die Vorherrschaft über das Terrain in St. Pauli hineingezogen wird. Die Situation spitzt sich zu, als Mario sich in die Frau eines Hamburger Textilhändlers verliebt, auf die ihn Totonno als Gigolo angesetzt hat.
A Social drama about an Italian gastarbeiter’s search for happiness in a cold, dismissive Northern Germany: After losing his job in
I magliari ist ein hervorragender Dokumentarfilm über ein gewisses tristes und reiches Deutschland, dessen wesentlicher, wenn nicht einziger, Adelstitel in der Angst besteht, die ihr Streben nach Wohlstand, Vergnügen und irdischem Glück überschattet. Ich weiß, dass es ziemlich fragwürdig ist, einen Film als Dokumentation zu bezeichnen, der Darsteller, eine Geschichte und mit Sicherheit auch eine Moral hat. Aber ich sage es zumindest in diesem Sinne: Die Hauptdarsteller des Films sind nicht die »magliari«, es sind nicht Sordi und Salvatori, und nicht einmal Belinda Lee; der alleinige Hauptdarsteller ist das Deutschland, von dem wir sprachen, oder besser: die Stadt Hamburg. Und Belinda Lee ist nichts anderes als die Seele jenes Deutschlands, jenes Hamburgs; eine allegorische Figur also, vollkommen irreal, pathetisch und zugleich unheimlicher Schatten an der Wand. Es zeugt von feiner Intuition, dem im Film beschriebenen Deutschland eine weibliche Seele zu verleihen; die typische Intuition eines mediterranen Menschen, ein wenig spöttisch, aber nicht ohne Mitleid für ein Volk, das dramatisch nach seinem Glück sucht und doch nur Reichtum und Macht erlangt.
Vittorio Bonicelli: I magliari
Il Tempo, 13.10.1959
Die italienischen Arbeiter in der Bundesrepublik leben noch immer unter dem Vorurteil, »der Italiener« sei ein Gauner und Weiberheld. Dieser Film, das sei gleich eingangs betont, ist leider nicht geeignet, solche Vorurteile abzubauen. Es sind lauter zwielichtige, gangsterhafte Gestalten, die Mario, einem italienischen Arbeiter, begegnen, als er sich abgerissen und krank vor Heimweh in Hannover seinen Landsleuten anschließt. Einer von ihnen stiehlt ihm den Paß, dadurch lernt er die anderen kennen: fliegende Stoffhändler, die gemeinen Betrügereien im Bundesgebiet nachgehen. Mario folgt einem Teil der Gruppe nach Hamburg. Während dort blutige Fehden mit der Konkurrenz, Zigeunern und Balkanesen, stattfinden, macht er sich auftragsgemäß an die Frau eines deutschen Schiebers heran, ein mannstolles, in teure Pelze (der Vorspann nennt die Hamburger Lieferfirma) gehülltes Weibchen. Lange aber hält das Verhältnis der beiden nicht vor. Zuletzt steht Mario so arm und mutterseelenallein auf deutschem Boden, wie er gekommen war womit für die Einleitungsthese, daß für ehrliche Marios in Westdeutschland nichts zu verdienen sei, der Beweis geliefert wäre. Interesse vermag dieser halbe, im Stil unentschlossen zwischen Komik und Tragik pendelnde »Zeitkrimi« an einzelnen Stellen ob seiner lebhaften grotesk-gaunerischen Note und an anderen durch das Geschick seiner Milieuregie zu wecken; die Reeperbahn sah man selten so ernüchternd ins Bild gesetzt. Doch sind das Randaspekte, die gegenüber den schwerwiegenden Zerrbildern des Ganzen keine Bedeutung erlangen. Die deutsche Bearbeitung scheint den ordinärsten Jargon der Gangster- und Dirnenszenen gefiltert zu haben. Was erhalten blieb, erinnert immer noch fatal an die Konstruktionsformel jener »sex«-versetzten Härte, der zur Zeit auch renommiertere Regisseure als Rosi frönen.
Jt: Auf St. Pauli ist der Teufel los
Film-Dienst, Nr. 19, 3.5.1961
Das klingt nach Sittenfilm, nach Striptease, Fäusten und Kaschemmen. Und entpuppt sich, welche Überraschung, als kritisch angelegter Zeitfilm, der mit dem Anspruch auftreten darf, das Problem der italienischen Arbeiter in Deutschland zum erstenmal im Spielfilm aufzuwerfen. Eigentlich lag dieses Thema für die deutschen Filmleute griffbereit. Aber Arbeiter, wie man weiß, interessieren sie wenig. In Francesco Rosis Film sehen wir den jungen Mario, der hoffnungsvoll nach Hannover kam, aber nun, da sein Arbeitsvertrag zu Ende geht, hat er keinen Pfennig gespart und gerät leichtfertigen Landsleuten in die Hände, die als »fliegende Händler« auftreten. Die Autoren des Films machen kein Hehl aus ihrer Abneigung gegen diese Typen. Auch nicht aus ihrem Deutschlandbild: In diesem Hamburg regnet es immer, eine düstere, fremde, für den Südländer unheilvolle Welt tut sich auf. Der Film ist sehr ordentlich gemacht, wenn er auch am Schluß zu sehr in Kriminalistik abkippt. Rosis Herz ist deutlich links, und im letzten Bild gibt er sich als kleiner Visconti, wenn er seinen Helden (Renato Salvatore als gutmütiger Arbeiter) lieber arm in die Heimat zurückkehren als sich korrumpieren läßt. Wer beim Vorspann aufgepaßt hat, wird die Seriosität des Films nicht mehr als Überraschung empfinden: Suso Cecchi d'Amico, nach Zavattini wohl Italiens bekannteste Drehbuchautorin, und Mario Serandrei, Viscontis Cutter, haben mitgewirkt, und Gianni, Di Venanzo, Antonionis Kameramann, hat ihn photographiert, zuweilen ein wenig im Stil des Meisters. Fazit: Neoverismo an der Alster.
Auf St. Pauli ist der Teufel los
Süddeutsche Zeitung, 22.8.1961