Verfilmung des gleichnamigen Romans von Alfred Andersch. Franziska Lucas ist ihr bisheriges Leben zwischen Ehemann und Liebhaber leid. Kurzentschlossen steigt sie in den nächstbesten Zug, der sie in das winterliche Venedig bringt. Sie fällt in eine Sinnkrise und sucht vergeblich nach einer Arbeit. Dann begegnet sie dem sympathischen italienischen Schriftsteller Fabio und dem britischen Homosexuellen Patrick, der im Krieg als Spion von den Deutschen gefoltert und zum Verräter wurde. Nun sinnt er auf Rache an seinem ehemaligen Peiniger Kramer, den er in Venedig wiedergetroffen hat. Während Fabio mit ihr über das Ende der Welt sinniert, möchte Patrick am liebsten gemeinsam mit Franziska in seinem Boot wegfahren aber erst wenn er mit Kramer fertig ist. Franziska erkennt zu spät, dass Patrick sie nur als Lockvogel benutzt, um Kramer zu töten. Am Ende ist sie wieder am Bahnhof und steigt in den nächsten Zug, einer ungewissen Zukunft entgegen.
A Screen adaptation of a novel by Alfred Andersch: Franziska Lucas is fed up with her life and dissatisfied with both her husband and her lover. Impulsively, she takes the next best train, which takes her into a wintry
Der Film beginnt vielversprechend. Die Vergangenheit der Frau wird durch Rückblenden gegenwärtig. Ihre inneren Monologe sind sparsam und erklärend. Doch mehren sich bald die moralisierenden Dialoge. Der Film kommt zum Ende der Rundfunk beginnt. [...]
Hätte man den Vorspann dieses Films versäumt, wüßte man nicht, welches Land ihn produziert hätte nach diesen Monologen und Dialogen wäre es jedem klar. Hier haben wir das Erbübel schwacher deutscher (Film-)Künstler. Sie halten sich für Philosophen, ahnungslos, daß sich der »Geist immer im Netz der Sprache verfängt« (Hölderlin). Sie gestalten keine Stoffe, die ihrem intellektuellen und künstlerischen Vermögen entsprächen sie fühlen sich zumindest als Antonioni oder Bergman. Aber sie sind, beispielsweise, Käutner.
Als die Rote den Satz »Sie glauben, ich spinne?« zu sprechen hatte, johlte das Berliner Publikum los. Die Frage war wirklich zu riskant.
Einen weiteren grundlegenden Irrtum wies schon der Stab auf: Als Hauptdarstellerin wählte man einen deutschen Kassenstar (Ruth Leuwerik), als ihren einen Partner einen internationalen Star (Rossano Brazzi), als ihren zweiten Partner einen Schauspieler, der spätestens seit Resnais' Marienbad die Cinéasten anzieht (Giorgio Albertazzi). Als Kameramann engagierte man Fellinis Mitarbeiter Otello Martelli, und die Stoffvorlage lieferte ein deutscher Erfolgsroman. Ist es denn hierzulande wirklich nur jenen, die Filme sehen, und nicht denen, die Filme machen, vertraut, daß man nicht Künstler aus aller Welt, die sich auf ihren Gebieten und anderen Umständen qualifiziert haben, einfach addieren kann und damit einen guten Film bekommt?
Die Rechnung ging dann auch nur mit Otello Martelli auf. Seine Kamera bot der Regie Szenerien an, die das Thema der Einsamkeit des Menschen unter den Menschen überzeugend stimulierten. Aber, ihre Wirkungen wurden immer wieder durch den Tonstreifen zerstört. Der Regisseur war seinem Kameramann nicht gewachsen ein deprimierender Eindruck. Zeitweise schien es, als ob Martelli und Käutner zwei verschiedene Filme drehten.
Manfred Delling: Die Rote zwischen Film und Funk
Die Welt, 2.7.1962
Gert Fröbe ist ein vorzüglicher Gestapomann, fett, widerlich und hinterlistig; die beiden Italiener Rossano Brazzi und Giorgio Albertazzi sind Fremdkörper in dieser eminent deutsch vergrübelten Art und Weise der übrigen. Und Ruth Leuwerik: unsere zehnfache Bambi-Trägerin, Liebling des Volkes, still leidende Gefährtin immer, eine Sendung im Herzen, Ordnung im Kopf, gepflegte Märtyrerin, siegreiches Frauentum. Nun wollte sie mal anders sein, eine Fremde sich selbst werden, und solchen Zielen bleibt sie denn auch fremd: kühl ist sie, halbwegs intelligent und gar nicht schlecht, auf ihre saubere, wohlerwogene Art; nur eben nicht recht phantastisch, keineswegs außer sich, das Erotische eher bleich. Dennoch auch Jeanne Moreau hätte die Rolle nicht retten können. [...]
Venedig, das muß man noch sagen, ist von dem italienischen Kameramann Otello Martelli wie eine Stadt auf der anderen Seite gesehen: grau, vermodert, schimmlig, bleiche stumme Folie, Tümpel der Trauer, eingenebelt in die Dämpfe einer Vergangenheit, zerfließend in einer Gegenwart, die die Wirklichkeit abwehrt. Auch diesen Film.
Karena Niehoff: Der Mensch lebt nicht vom Rot allein (1962)
In: K. N.: Stimmt es Stimmt es nicht? Porträts Kritiken Essays 1946 1962.
Herrenalb: Erdmann 1962, S. 221.
Die Frau mit den roten Haaren flüchtet nach Venedig. Nicht einmal sie selbst weiß warum, sie will nur mit dem Kompromiss Schluss machen, mit einem Liebhaber, den sie nicht mehr liebt, mit dem Ehemann, für den sie keinen Respekt empfindet. In Venedig herrscht Hochwasser, und es ist neblig, und die »Rote« trifft auf einen Schriftsteller, der, um zu überleben, in den Delikten der »Serenissima« herumstöbert, und einen irischen Verräter, geblendet vom Hass gegen alle, gegen den Mann, der ihn zum Verrat gezwungen, gegen alle. [...] Der Film ist teils unangenehm, manchmal nachlässig und mit unnötigen Verwicklungen, aber der Regisseur Helmut Käutner hat die verzweifelte Geschichte der Frau mit den roten Haaren mit großer Intelligenz umgeschrieben. Ruth Leuwerick spielt großartig, die Kamera ergründet immer wieder ihr Gesicht. Nichts zu beanstanden bei Albertazzi und Brazzi. Und dann hat uns der Regisseur Käutner ein wundervolles winterliches Venedig wiedergegeben: Der Nebel steigt über dem Canale Grande auf, und der Markusplatz ist in Dunkelheit eingehüllt.
La rossa
Corriere d'Informazione, 9.9.1962