Michael Glawogger setzt sich mit der körperlichen Schwerstarbeit im 21. Jahrhunder auseinander und erinnert an alte »Helden der Arbeit«. In fünf Kapiteln stellt er Menschen vor, die auch heute noch unter teils extremen Bedingungen arbeiten. Dafür reiste er um die ganze Welt und dokumentiert die Arbeit in Kohleminen in der Ukraine (Helden), den Schwefelabbau in Indonesien (Geister), einen blutigen Schlachthof in Nigeria (Löwen), das Abwracken von Schiffen in Pakistan (Brüder) und ein Stahlkombinat in China (Zukunft). Im Epilog geht er nach Duisburg, wo eine ehemals wichtige Hochofenanlage in einen Freizeitpark verwandelt wurde. Die Zukunft scheint hier schon angekommen.
Glawogger sucht nach der spektakulären Einstellung, nach dem Bild, das man so noch nicht gesehen hat: Auf dem nigerianischen Schlachthof etwa werden Ziegenleiber und Kuhköpfe im offenen Feuer geröstet. Das sieht so infernalisch aus, dass einige Zuschauer an dieser Stelle das Kino verlassen. Doch anders als zum Beispiel in Hubert Saupers DARWIN'NIGHTMARE stört diese Neigung zum Spektakulären nicht, im Gegenteil. Dass Glawogger so viel Wert auf Farben, Licht, Geräusche und den einen oder anderen Schockeffekt legt, macht gerade den Reiz von WORKINGMAN'S DEATH aus. Die Idee, Arbeit an so unterschiedlichen Orten, unter so unterschiedlichen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in einen Film zu zwingen, geht ästhetisch auf – ob sie es auch konzeptuell tut, lässt sich in der Eile des Festivalgeschehens noch nicht sagen.
Cristina Nord: Schicht im Schacht
Die Tageszeitung, 5.9.2005
Der westlichen Welt sind Arbeit, Arbeiter und auch Arbeiterklasse abhanden gekommen – und zwar derart schnell und radikal, dass Streikende heutzutage in den Medien als Querulanten verkauft werden können. Doch die Immaterialisierung der Arbeit ist nur die eine Seite: Die körperliche Arbeit ist mit der Globalisierung an entlegene Orte gewandert, wo es manchmal zur überraschenden Begegnung von Arbeitenden und Touristen kommt. WORKINMAND'S DEATH lenkt die Reflexion des Zuschauers nicht, sondern beobachtet und sorgt sich um eine bildgewaltige und perspektivreiche Ästhetisierung des Materials, die durch die fulminante Musik John Zorns noch verstärkt wird. Wie Glawoggers Film interessiert sich Zorn durchaus für regionale Klänge vor Ort, formt sie aber um in politisch ambitionierte Kunst.
Ulrich Kriest: Sag mir, wo die Arbeit ist!
Stuttgarter Zeitung, 27.4.2006
Der Titel WORKINGMAN'S DEATH weckt hochgespannte Erwartungen. Will Glawogger das Verschwinden des klassischen Proletariers aus der Welt der von Automaten gesteuerten Fertigungsstrecken ins Bild setzen? Gleich zu Beginn zitiert er den Kult um den russischen »Helden der Arbeit« Alexej Stachanow, der einer kommunistischen Bestarbeiterbewegung und einer Stadt im ukrainischen Donbass zu ihrem Namen verhalf. Im Jahr 1935 überbot der Mann – 1948 durfte es ihm der sächsische Bergmann Adolf Hennecke gleichtun – die Tagesnorm in der Kohlengrube um mehr als das Dreifache, was ihm den ewigen Dank der Partei und den Haß der Kumpel eintrug. Heute legen Brautpaare am Denkmal Stachanows Blumen nieder, als wäre es die Statue eines Heiligen, zu der man um Arbeit fleht. Die meisten Gruben im Donezbecken sind geschlossen. Mit drei entlassenen Bergleuten kriecht Glawogger in einen nur vierzig Zentimeter hohen, schlecht abgestützten Stollen: illegaler Kohleabbau für den Eigenbedarf und Privathandel. Auf einem Fahr- oder Motorrad fährt man die mühsam gewonnene Ausbeute davon, und jeder Tag kann der letzte sein.
Diese Episode, die folgerichtig unter dem Titel »Helden« firmiert, ist die aufschlußreichste des Films, weil sie eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart herstellt. Sie faßt die blanke Not ins Auge und übersieht nicht die fast überschäumende Lebenslust, die zumindest an einem Hochzeitstag ausbricht.
Hans-Jörg Rother: Arbeitsübel
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 4.5.2006
Geschnitten ist der Film als Kunstwerk. Jede Station hat ihren eigenen Farbwert: die ukrainische Kohle ihr Schwarz, der Schwefel sein Pesthauchgelb, der Schlachthof das Blutrote und Rauchschwarze. Blau wie Himmel und Meer ist dagegen die Farbe des Schiffsfriedhofs von Gaddani in Pakistan, wo die größten Reedereien der Welt ihre ausgedienten Frachter in voller Fahrt auf den Strand laufen lassen. Dort werden die Stahlkolosse von zarten, zähen Gestalten in weißen Gewändern mit Schneidbrennern in handliche Stücke zerlegt. Auch das ergibt Bilder von großer Wucht – und von großer Frömmigkeit. Die Moslems beten häufig, während sie die gestrandeten Monumente der Globalisierung zerkleinern. Dass daraus nur neues Futter für die Hochöfen, vermutlich die chinesischen, wird, erzählt Glawoggers Film nicht.
Harald Jähner: Ein Hammer!
Berliner Zeitung, 18.5.2006
Die Aussage von WORKINGMAN'S DEATH scheint klar, wenn man diese Szenen mit dem Epilog konfrontiert, der als einziger Teil des Films im alten Kerneuropa spielt und eine Gruppe herumalbernder Jugendlicher auf einem zum Kulturspektakel umgewidmeten Hochofen im Duisburger IBA-Emscher-Park zeigt: Seht her, während ihr in Europa vom Ende der Arbeit fabuliert, schuppern sich anderswo auf der Erde immer noch Menschen die Rücken wund. Zu Recht wurde ja etwa Jeremy Rifkin, der die These vom »Ende der Arbeit« in seinem gleichnamigen Buch 1995 wohl am einprägsamsten formuliert hatte, unter anderem eine allzu eurozentristischeSichtweise vorgeworfen. Glawogger selbst (MEGACITIES, SLUMMING) sagt zu seinem Film, er habe endlich einmal die körperliche Arbeit im Kino sinnlich erfahrbar machen wollen, statt nur über sie zu reden. Das ist ihm in ästhetischer Hinsicht sicher meisterlich gelungen. Denn die kommentarlosen, von dem New Yorker Jazzer John Zorn ebenso sparsam wie wirkungsvoll untermalten Szenen beeindrucken bis zur Schmerzgrenze und entlassen das Publikum fast betäubt aus Überwältigung. Erst später, wenn sich die Aufwühlung ein wenig gelegt hat und das Denken wieder einsetzt, tauchen doch einige Fragen und Zweifel auf, die mit genau diesen Gefühlen zu tun haben, die Glawoggers Film bei uns auslöst.
Antworten gibt es aber nicht. Denn es sind vor allem Gefühle, die zurückbleiben, von analytischer Durchdringung keine Spur. So führt die meisterlich eingelöste sinnliche Präsenz körperlicher Arbeit am Ende durch viele lodernde Feuer gereinigt in sich selbst zurück. Warum wird in der Ukraine offiziell keine Kohle mehr gefördert? Wer profitiert von der Arbeit der pakistanischen Werftarbeiter? In welchem Kontext funktioniert der nigerianische Schlachthof? Warum ist die Stahlproduktion vom Ruhrgebiet nach China ausgewandert? Und gibt es nicht auch dort– im Ruhrgebiet – Arten des Arbeitens, die sich nur vielleicht auf der Leinwand nicht so gut machen? WORKINGMAN'S DEATH drückt sich vor solch konkreten Aussagen und setzt lieber aufs überwältigende Sentiment. Ein weniger aufs Spektakuläre ausgerichteter Film hätte auf der Suche nach Bildern zur Arbeit im 21. Jahrhundert – so der Untertitel – zumindest versuchen müssen zu zeigen, dass Arbeit in erster Linie eine sozialökonomische Beziehung ist, die sich an einem konkreten Ort unter bestimmten historischen Bedingungen ereignet. So zeigt der Film am besten wohl die berufsbedingte Blindheit des Filmemachers selbst, den nur das interessiert, was sich in beeindruckenden Bildern auf Zelluloid bannen läßt.
Silvia Hallensleben: Von Helden zu Geistern
Freitag, 19.5.2006