Hautnaher Dokumentarfilm der ’68er-Studentenproteste in der Bundesrepublik und ihrer Konfrontation mit der Polizei. Der 1. Teil dokumentiert die aufgeheizte Stimmung nach dem Attentat auf Rudi Dutschke im April 1968: Demonstranten belagern das Springer-Haus in Hamburg und versuchen, die Auslieferung der BILD-Zeitung zu verhindern. Der 2. Teil zeigt die offizielle DGB-Veranstaltung zum 1. Mai in Hamburg, auf der Herbert Wehner spricht, damals Bundesminister der Großen Koalition, sowie die Gegenveranstaltung. Der 3. Teil schließlich behandelt den von der APO (Außerparlamentarischen Opposition) organisierten »Sternmarsch auf Bonn« gegen die Verabschiedung der Notstandsgesetze im Mai 1968. Zu Wort kommen sowohl Bürger auf der Straße als auch Wortführer des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds (SDS). Sie reflektieren ihren Protest gegen gesellschaftliche Missstände und die Bereitschaft, gegen den autoritären Staat auch mit »Gegengewalt« vorzugehen.
Am letzten Freitag begannen die Oberhausener Kurzfilmtage, das international wichtigste Festival des kurzen Films. Nachdem im vergangenen Jahr eine Gruppe versucht hatte, das Festival zu sprengen, hat man sich in diesem Jahr entschlossen, alle eingereichten bundesrepublikanischen Filme an drei Tagen vor dem internationalen Festival zu zeigen. Die anwesenden Filmer und Journalisten wählten daraus das deutsche Programm.
Man hätte also erwarten können, daß in diesem Jahr alle wesentlichen Strömungen des deutschen Kurzfilms vertreten sein werden. Sie waren es nicht. Es fehlte eine Gruppe, die die Möglichkeiten des politischen Films im Augenblick am konsequentesten durchdenkt, die Kooperative der achtzehn im November letzten Jahres von der Berliner Film- und Fernsehakademie aus politischen Gründen relegierten Studenten [darunter Harun Farocki, Gerd Conradt, Holger Meins, siehe IHRE ZEITUNGEN und STARBUCK HOLGER MEINS].
Was in Oberhausen an politischen Filmen zu sehen war, unterschied sich nicht wesentlich von dem, was in Stuttgart, beim »Wochenende der Filmemacher« Anfang des Monats, und in Hamburg, bei der »Filmschau 69« vor vierzehn Tagen, lief. Das ging in der Kategorie politischer Film nach dem Muster: Autos, Pelze, Vietnam-Bild; Autos, Cola-Reklame, Biafra-Bild – und so weiter. Emotionale Selbstbefriedigung wird mit politischer Agitation verwechselt. Unfähigkeit zur Argumentation wird vertuscht mit aufdringlicher Gefühligkeit.
Das ist um so bedauerlicher, als festgehalten werden muß, daß Emotionen als Antrieb immer wichtig sind. Kurt Rosenthals Film VON DER REVOLTE ZUR REVOLUTION zeigt die Hamburger Demonstrationen gegen den Springer-Konzern nach dem Dutschke-Attentat. Er zeigt im Ansatz auch Analytisches. Aber das ist nicht seine Stärke. Wirklich gut ist die Dokumentation eines Polizeieinsatzes. Wie die Wasserwerfer die Demonstranten einschießen, wie dann die Schlägertruppen die Knüppel schwingen, das hat man in Bildfetzen schon oft gesehen. Hier aber, in voller Länge gefilmt, begreift man, wie sehr einen die zurechtgeschnittenen Fernsehportionen abgestumpft haben. Das greift an. Es weckt »nur« Emotionen. Aber, wie gesagt, Emotionen sind wichtig.
Werner Kließ: Die Filmer im Untergrund: ratlos
Was in Stuttgart, Hamburg und Oberhausen gezeigt wurde – und Was nicht
Die Zeit, Nr. 13, 28.3.1969