In den letzten zwei Jahren sind auf den großen Festivals immer wieder im Zeichen von Glasnost Filme aufgetaucht und auch mit Auszeichnungen bedacht worden, die in ihrem Ursprungsland, in der Regel der Sowjetunion, jahrelang verboten waren. Bisher handelte es sich bei diesen sogenannten »Tresorfilmen« meist um erzählende Werke. Nun kommen auch Non-Fiction-Filme zum Vorschein, und nicht nur aus der UdSSR.
OBRAZY STARHÉO SVETA (Bilder aus der alten Welt) von Dušan Hanák ist der erste Film dieser Art aus der Tschechoslowakei. Er entstand bereits 1972, wurde jedoch sofort aus dem Verkehr gezogen und konnte nun, nach 16 Jahren, zum ersten Mal auf einem Festival gezeigt werden. Hanák zeigt mit engagiert sozialkritischer Optik Bilder aus dem Alltag alter Menschen in den slowakischen Bergen, Menschen, die – oft in großer Einsamkeit – in einfachsten Verhältnissen leben und eigentlich nur noch auf ihren Tod warten. Man sieht ihnen zu, bei den täglichen Verrichtungen, man hört, wie sie sich über ihr Leben äußern und über das, was auf sie zukommt. Der mit der Goldenen Sesterze ausgezeichnete Film schildert realistische Situationen und Zustände, von denen nachvollziehbar ist, daß ihre Darstellung dem Regime nicht in den Kram passen konnte. Um so erstaunlicher, daß der Film nun freigegeben worden ist – wie in Nyon zu erfahren war, auf Druck sowjetischer Journalisten und Filmemacher.
Hans M. Eichenlaub: Sesterzen für den Osten
Das zwanzigste Filmfestival im Schweizer Nyon
Der Tagesspiegel, 30.10.1988
BILDER EINER ALTEN WELT wird man künftig in einem Atemzug nennen müssen mit den Filmen von Robert Flaherty, aber auch mit LAS HURDES von Luis Buñuel. Hanák porträtiert alte Leute in einer entlegenen Gegend der Slowakei. Sie leben meist unter primitivsten Verhältnissen, in Hütten oder heruntergekommenen Häusern. Einer zieht seinen Pflug selbst, einer ist Schäfer, einer – ein besonders schönes Stück absurder Poesie – schwärmt von Astronauten, liest alle Bücher und Broschüren, die er über die Weltraumfahrt bekommen kann. Die Gesichter der Männer und Frauen sind verwittert, Urgestein. Die Landschaft scheint unberührt. Die Menschen leben – trotz allem – gerne. Sie sagen auch ein paar Worte, über die grundsätzlichen Dinge des Lebens. Wenn sie von Trauer und Verzweiflung sprechen, kann man an Becketts »Letztes Band« denken, sprechen sie von Arbeit und Liebe, strahlen sie Kraft und Würde aus. Und immer wieder ein Lächeln oder Lachen.
BILDER EINER ALTEN WELT lebt ästhetisch vom Wechselspiel zwischen Fotografie und Film, zwischen unbewegten Lichtbildern und einer ständig gleitenden, fast allgegenwärtigen Kamera.
Wilhelm Roth: Winter in Leizig [zur Leipziger Dokumentarfilmwoche]
epd Film, Nr. 1, 1989
There are many beautiful, moving moments and images. A peasant couple don’t know what a microphone is or how to react to it. An old man has taken eggs to town and dropped them. The village has the most wonderful handcarved automaton toy that the camera delights in crawling over. A peasant had built a house for his wife and family but she threw him out of it on the day that Yuri Gagarin became the first man to go into space. Now, he just wants to talk about space flight with the interviewer. Here the intercutting of the stock footage of the first men on the moon with the so down-to-earth (and down-to-Earth) lives of the peasants has a special resonance.
Their way of life may be simple, it may even be primitive, but they are people with such a rich experience of life. They may not be very articulate when they are asked to talk about Life (with a capital L) or death, but in their faces, their demeanour, their very breathing, they embody so much about living and being human.
Hanák does not privilege the original photographs; nor does he have his own camera prowl over them restlessly in the way that many documentary filmmakers use in the mistaken idea that this will animate still photographs. Instead, his camera style integrates with the still photos to the extent that at times we don’t really recognise which it is we are watching. The dialogue on the soundtrack is limited to the words of these people. Sometimes they are speaking on camera; sometimes their voices are only on the soundtrack. But, when he only has their words and not their voices, he has these simply read, with no attempt at having an actor impersonate the real person. This aural integrity is augmented with interesting music choices, ranging from a solo voice with a folk song to elegant George Frideric Handel, its very sophistication coming as a perfect foil for these well-lived lives.
This is such a beautiful, non-political, non-polemical film that its official banning is just so mysterious. What kind of threat did the authorities see in this film? Were they afraid that people might read this as saying that the Socialist State could not properly look after its old people?
Peter Hourigan: Slovak Cinema of the 1970s Revisited
senses of cinema, Nr. 47, Mai 2008
http://sensesofcinema.com/2008/feature-articles/slovak-cinema-1970s