Gegenöffentlichkeit in Frankreich: Der Fall Chris Marker
Seit mehr als einem halben Jahrhundert galt der französische Filmessayist Chris Marker als einer der Motoren der filmischen Avantgarde in Europa. Die Wurzeln einer der Gegenöffentlichkeit verpflichteten Filmarbeit liegen bereits in seiner Jugendaktivitäten bei der kommunistischen Volkskultur-Organisation Travail et Culture. Nach zwei ersten eher impressionistischen Reisefilmen findet er mit zwei Filmessays über die im gesellschaftlichen Umbruch befindliche Länder Israel und Kuba zu einer expliziter politisch ausgerichteten Ästhetik. Der in Frankreich verbotene Film CUBA SI (F 1961) wurde auch in Deutschland vom Fernsehen verstümmelt und mit einem neuen Kommentar versehen, der die Aussage ins Gegenteil verkehrte, unter dem Titel DIE VERKAUFTE REVOLUTION: CASTROS VERRAT AN KUBA (D 1963). Seitdem entwickelte sich Marker zu einem auch überregional beachteten politischen Filmemacher, etwa als Organisator von Kollektivprojekten wie LOIN DU VIÊT-NAM (FERN VON VIETNAM, F 1967) und CINE-TRACS (FILMFLUGBLÄTTER, F 1968), bis hin zu seiner umfangreichen Geschichtskompilation über die Geschichte der linken Bewegung in Europa LE FOND DE L'AIR EST ROUGE (ROT IST DIE BLAUE LUFT, F 1977), die so etwas wie die »Bibliothek« der alternativen Filmszene geworden ist.