Grenzen ausloten, Freiräume schaffen:
Kritische Tendenzen im DDR-Amateurfilm
Der Amateurfilm stellt eine Sonderform im DDR-Film dar. Einerseits war er über seine Trägerinstitutionen in das politische Gefüge des Landes eingebunden. Zum anderen konnten sich Studios und sog. Einzelschaffende auch unbehelligt der Filmarbeit widmen. Eine »Gegen-Öffentlichkeit« brachten diese Aktivitäten nicht hervor, wohl aber Filme, die einen ehrlicheren Zugang zur Wirklichkeit suchten als DEFA- und Fernseh-Produktionen. Einleitend diskutiert der Vortrag den Begriff »Gegen-Öffentlichkeit« im Kontext der filmpolitischen Situation in der DDR und lotet die Spielräume für Amateurfilmer aus, differenziertere Sichten auf Staat und Gesellschaft zu artikulieren. Dabei bezieht sich »Gegen-Öffentlichkeit« auch auf Möglichkeiten, diese Filme öffentlich zu zeigen.
Der Hauptakzent liegt auf drei Filmstudios, die vor allem in den 1970er und 80er Jahren die Möglichkeiten eines freieren Agierens ausschöpften: das Amateurfilmcentrum ENERGIE Berlin, das FDJ-Filmstudio Würchwitz und der Amateurfilmzirkel Senftenberg. So gingen die Würchwitzer Filmer mit Arbeiten über das Altern, über Erotik und Umweltzerstörung bis an die Grenzen des Erlaubten. Im örtlichen Netzwerk fanden interne Foren wie die »Würchwitzer Mühlengespräche« mit Profifilmern und Kulturpolitikern statt. Eine ähnliche Clubform initiierte das Studio im Energiekombinat Berlin. Seit 1982 trafen sich beim »Tag des Amateurfilms« in- und ausländische Aktive, u.a. aus der ČSSR. Gemeinsam reiste man zu Festivals und realisierte mehrere Co-Produktionen. In Senftenberg etablierte sich indes unter dem Dach des Kulturbundes eine Filmgruppe für Satirefilm; sie richtete ab 1982 ein »DDR-offenes« Festival für bis zu dreiminütige Super 8-Filme aus. Das Einreichungsprocedere und die Juryarbeit liefen hier weitestgehend autonom. Das Studio selbst artikulierte in Filmen die ökonomischen Missstände und wandte sich gegen blinden Gehorsam.
Zu Schluss werden mit den »Sommertouren« von Andreas Dresen eine spezielle Aufführungsform für Amateurfilme und weithin unbekannte Facette des Regisseurs vorgestellt. Der »Wanderzirkus« DREFA (Dresen-Film-Arbeitsgemeinschaft) gastierte 1984, 1986 und 1988 auf Zeltplätzen und in Dorfgaststätten. Man zeigte ausgewählte DDR-Amateurfilme mit Live-Musik, lud zur Diskussion, lebte alternativ.