Die beiden Freunde Pišta und Vinco arbeiten als Bahnpostler irgendwo in der slowakischen Provinz. Mit viel Schnaps und diversen Frauengeschichten versuchen sie, der täglichen Tristesse ein wenig Glück abzuringen. Viera, eine Kollegin der beiden, verliebt sich in Vinco. Aber er kann nicht von anderen Frauen lassen und auch nicht vom Alkohol, was Viera verletzt und wütend macht. Nach einem Streit kommt er im Suff ums Leben. Pišta kümmert sich daraufhin liebevoll um Viera, die zudem auch noch schwanger ist. Auf tollpatschige Art umwirbt er sie und versucht sogar, das Trinken aufzugeben, was ihm aber nicht ganz gelingen will. Viera weist ihn immer wieder ab, nur am Ende keimt der Hoffnungsschimmer eines möglichen Glücks auf.
Sie sind schon arme Schlucker, die sich da Schluck um Schluck um die Existenz oder das Leben trinken. Die beiden Typen von der Bahnpost – der lange dünne Vinco und der kurze dicke Pista – haben die Schnapsflaschen zu ihren ständigen Zugbegleitern erkoren. Pat und Patachon auf slowakisch: tragisch, komisch und in einer dumpfen Umwelt gefangen, in der Wodka und Rum die einzigen Freunde sind. ICH LIEBE, DU LIEBST sollte schon im vorigen Jahr die Tschechoslowakei auf den Berliner Filmfestspielen vertreten. Es heißt die Behörden hätten da nicht mitgemacht. [...]
Der Grund für die späte Freigabe ist klar. Es ist das Ungeschminkte einer Provinzgesellschaft, die hier fern von Optimismus, Arbeitswillen oder Zukunftshoffnung in kleinen Streitigkeiten oder armseligen Liebeleien erstarrt scheint. Der eine baut sich mit Müh und Not in Schwarzarbeit ein Haus, derweil ihm die Frau längst davongelaufen ist. Einer kommt im Suff zu Tode. Muttern lebt im Gestern der geistigen Verwirrung, und glücklich sind eigentlich nur die Bienen, die der zu kurz gekommene Pista im Garten hegt. Sie freuen sich ihres Lebens, weil sie keinen Magistrat haben. Bittere Sprüche, traurige Figuren. Wenn Pista die Wässerchen schluckt, von Gina Lollobrigida schwärmt und nächtens mondsüchtig wandelt – so sind das alles kleine Fluchten aus einem Alltag, wie er armseliger kaum sein könnte. Mit durchweg hervorragenden Darstellern macht Dusan Hanáks Film, der doch immerhin in einen Schluß der zarten Hoffnung findet, künstlerisch starken Eindruck.
Dieter Strunz: Abrechnung mit Fehlern und Göttern der Vergangenheit – Ich liebe, Du liebst
Berliner Morgenpost, 21.2.1989
Hanák interessiert sich für die tausend Bizarrerien in den Nischen und Winkeln des monotonen Provinzdaseins: für jene Momente, in denen der Alltag aus der Rolle und die Normalität aus dem Rahmen fällt – Augenblicke, in denen Pista unvermutet auf einen Schrank klettert, in einem Doppelbett neben dem gleichfalls alkoholisierten Schornsteinfeger Albin zu liegen kommt oder von seinen Freunden mit einer überlebensgroßen Venus aus Pappmaché genarrt wird.
Nie kippt dieser Film zur Klamotte hinüber; das Leben ist immer ernst und unernst zugleich. Pista und Vinco – angestrengt darauf konzentriert, keiner Mißhelligkeit auszuweichen – bewegen sich in ihrer engen Welt wie tragische Clowns: zwei Beckett-Figuren, die sich von der Bühne des absurden Theaters in die reale Absurdität der Provinz verirrt haben. In jeder Situation hält Hanák die Balance zwischen der profanen Wirklichkeit und ihren unentfalteten Möglichkelten. Noch im Burlesken versteckt sich die Sehnsucht nach Freiheit, noch im Verschrobenen und Mißlungenen artikuliert sich die Widerstandsfähigkeit einer dekomponierten und beschränkten, doch letztlich unzerstörbaren Humanität. SO IST DAS LEBEN ist der Titel eines berühmten tschechischen Stummfilms, den Carl Junghans 1929 drehte. Was damals der an Pudowkin und Phil Jutzi geschulte Blick leistete: die mikrologische Bestandsaufnahme des beschädigten Lebens, erweitert der Slowake Hanák um jene Jean-Paul-sche Dialektik, die das unendlich Kleine und Dürftige als Glasstaub des Kosmos erscheinen läßt.
Klaus Kreimeier: Dušan Hanák – Die Exotik des Alltags
epd Film, Nr. 4, April 1989