Ein »Kammerspiel im Schützengraben« nach dem Bühnenstück »Journey’s End« von R.C. Sheriff. Kurz vor der deutschen Frühjahrsoffensive im März 1918 kommt der junge, etwas naive Leutnant Raleigh an die Front. Er freut sich, Hauptmann Stanhope zu treffen, den er von früher kennt und der mit seiner Schwester liiert ist. Stanhope hat sich allerdings im Krieg verändert und ist zum Alkoholiker geworden. Aus Angst, Raleigh könnte die Wahrheit an seine Schwester schreiben, zensiert er dessen Brief, in dem aber nur Gutes über Stanhope steht. Raleigh und Oberleutnant Osborne werden auf eine selbstmörderische Mission geschickt. Sie sollen einen Deutschen gefangen nehmen, um ihn ausfragen zu können. Osborne kommt dabei um und Raleigh wird mit den Schrecken des Krieges konfrontiert. Bei einem Angriff der Deutschen wird Raleigh schwer verwundet zu Stanhope gebracht und stirbt in dessen Armen. Am Ende wird der Unterstand von Granaten getroffen und stürzt ein.
A “drama in the trenches“, based on the play “Journey’s End“ by. Shortly before the German Spring Offensive in March 1918, young naïve British Lieutenant Raleigh is stationed on the front. He is looking forward to seeing Captain Stanhope, whom he has known since they were in school, but is surprised to see how much war has changed him. Stanhope, who is in a relationship with Raleigh’s sister, has become an alcoholic and decides to censor outgoing letters to make sure that all news sent home about him is positive. Despite Raleigh’s lack of experience, he and Lieutenant Osborne are sent on a suicidal daylight mission to capture a German soldier to be questioned. Raleigh is then confronted with the atrocities of war when he realizes that Osborne has been killed. When the Germans start shelling the British tranches, Raleigh is injured and dies as Stanhope tries to comfort him. Stanhope is called away, a mortar shell hits, and Raleigh is buried.
Die menschliche, die private Seite des Krieges um die Schützengräben … und für uns Deutsche »die andere Seite«, unsere Kriegsgegner, das »Drüben« vor unseren deutschen Stellungen – – es wandten unsere Augen, unser Gefühl sich mit seltsam gespannter Aufnahmebereitschaft (in ganz Deutschland) zu R. C. Sheriffs Bühnenstück; nun auch zu diesem Film.
Die private Seite: Offiziere, gebildete Menschen, die denken können, 5 von der Kompagnie, verschieden wie 5 Nationen, in der Todesnähe aufgerissen in ihren Nerven, ihren Gedanken, ein abgeklärter Mensch, ein ahnungsloser Junge, ein blutvoller, moderner Mann, ein fader Durchschnittsmensch, ein schnellzufriedener Anpassungstyp, jung und alt ... im Zwang des Frontdienstes vor dem Feind gehalten, Patrioten und nüchterne Rechner – Lebensbejaher und Todverfallene, Kriegsgegner und Opferbereite, Führer und Narren, zwischen Kants kategorischem Imperativ und der Whiskyflasche – Männer der Front, fast schon dem wahren Leben des Friedens entrückt, isoliert, einsam mit ihrer Angst, mit ihrer Courage.
Und »Die andere Seite« (von uns Deutschen her gesehen): Daß es Engländer sind, daß auch der »Feind« Menschenantlitz trägt, auch er eingegraben in faulende Erde, in die Pest der Gräben, faire Gegner – sie haben alle nichts zu lachen unter dem Mond und den Sternen.
Es ereignet sich da ein seltsames Zwischenspiel zwischen den Schlachten, an Graben- und Grabesrand wechseln zwei Offiziere ein paar Sätze, sprechen von ihrer Heimat, der eine sieht seine Jungens vor sich, der andere Jüngere meint, die Deutschen lägen ja so nah bei ihnen, daß man einen Handball zu ihnen herüberwerfen könnte – und sein Kamerad erwidert, sie würden gewiß mit einer Handgranate antworten … Das ist der Krieg, das ist der Friede in einem. Eine grausame, rührende Offenbarung in wenigen Sätzen. Kaum »gespielt«, ohne störendes Pathos hingesprochen. Rührender noch als die Schmetterlingssymbolik des Remarquefilms, drüben am Grabesrand …
Der Film atmet Frontgeist unverfälscht. Er schweigt mehr, als daß er knallen lässt. Das Grauen des Schweigens lastet auf ihm. Krieg ist hier: Schicksal, ihm kannst du nicht entgehen. Man muß durchhalten bis zum Tod – der kein »Heldentod«, keine Kriegsapotheose. Es ist Fatum, Anangke, Muß … ohne Mystik; der englische Offizier (wie der deutsche; wie der »gemeine« Mann) hält auf seinem Posten aus, kein Drückeberger, kein Deserteur, gewiß Friedensfreund, sogar galliger Kritiker an der Kriegsbürokratie (die die Opfer mutwillig häuft). [...]
Ein »innerlicher« Kriegsfilm, wenig Schlachtgetöse, kein Massenschaumorden.
Einmal ein Fronteinbruch von zwei Offizieren und zehn Mann in die deutschen Linien, atemlähmend nah … Sonst: der private, einzelne, verlorene Mensch. Der verzweifelt anrennt und doch sich ergibt – – vor dem Schicksal Krieg.
Das Publikum schwieg minutenlang ergriffen, dann entlud sich lang anhaltender, ehrlicher, anerkennender Beifall für Heinz Paul und alle Mitwirkenden.
E. J. [= Ernst Jäger]: Die andere Seite
Film-Kurier, Nr. 255, 30.10.1931
Der vornehmste aller bisherigen Kriegsfilme. Denn hier wird keine Kampfhandlung gezeigt, kein grausames Hinschlachten ganzer Kompagnien, alles bleibt in zurückhaltenden Andeutungen. Und doch spürt jeder Zuschauer die Brutalität des Kampfes, weil seine Auswirkung das Gesicht der Menschen verändert. Man spürt die Reflexe der Grausamkeiten. Und wenn es etwas Stärkeres gibt — als die Wirkung des Krieges auf uns Menschen, so muß das wohl erst noch erfunden werden. Der Film, von Heinz Paul inszeniert, braucht kein Hinterland, braucht keine Heimat: er zeigt keine Aushungerung, keine Schlangen vor Lebensmittelgeschäften, er bringt keine Ehefrauen, die nicht die Treue halten konnten, er zeigt kein Etappen-Kabarett, wo einsame Soldaten sich an Chansonettenbildern erbauen. Nichts, nichts zeigt er — als den Unterstand, als zwei Schützengräben, einen Verbindungsgraben und einen Sappenkopf. Und das genügt. Alles Elend kommt in diesen wenigen Gräben zum Ausdruck. Man braucht nicht mehr. Das poetische Heldentum zerbricht an zwei Personen, an dreien eigentlich; sehr klug wird es dem Betrachter dieses Films überlassen, zu den Dingen Stellung zu nehmen. Wie bei jeder wahren Handlung: der Dichter entscheidet nichts. Er schildert nur. Und er schildert, daß die Brigade einen Erkundungsvorstoß gegen die deutschen Gräben am hellen Tage verlangt. Nicht im Dunkeln. Der Vorstoß glückt und formt sich zu einem vollkommenen Zusammenbruch Stanhopes, der Hauptfigur. »Wenn nur die Brigade zufrieden ist.« Und — »Befehl ist Befehl«. Worte, die hinflattern als Prinzip ... und doch keine Tendenz sind. Weil sie immer noch Tatsächliches darstellen. Und das ist so bezwingend an diesem Film, daß er kein Grausen vervielfacht. — Belehren kann und soll ein Film uns nicht, daß ein Krieg grausam ist, wußten wir ohnedies.
Ickes [= Paul Ickes]: Die andere Seite
Filmwoche, Nr. 46, 11.11.1931