Der junge Werkstudent Claaßen wird zu einem Praktikum auf einem Rangierbahnhof abkommandiert, zum krönenden Abschluss soll er die Fahrprüfung auf einer Lokomotive absolvieren. Er erlebt den Alltag der Bahnarbeiter und freundet sich mit Ihnen an. Bei verschiedenen Gelegenheiten erzählt Claaßen ihnen Episoden aus der Frühzeit der Eisenbahn: Beginnend mit dem Bauernaufstand von Caston Hill 1813 über die Geschichte des Ingenieurs James Walter, der Entwicklung der Lokomotive »Puffing Billy«, eines von Nicolas-Joseph Cugnot 1769 entwickelten, mit Dampf betriebenen Wagens, und der von Robert Stephenson konstruierten Lokomotive »Rocket« bis zur Entwicklung der deutschen »Adler«.
Der Film brachte eingangs eine rekonstruierte Fahrt der ersten Eisenbahn in Deutschland zwischen Nürnberg und Fürth. [...] Mit der Vervollkommnung der Technik im Eisenbahnwesen steigerte auch der Film seine Rasanz. Was zuletzt in unnachahmlichen Montagen und Überblendungen von glitzernden Schienenschlangen, fauchenden Dampflokomotiven, gefährlichen Rangiermanövern in einem optisch-akustischen Furioso über die Leinwand donnerte, war Filmkunst in höchster Vollendung. Schweißgebadet erhob sich mancher Zuschauer aus den Tiefen seines Sessels, in den er – Deckung suchend – gerutscht war, wenn ein »Stahltier« nach dem anderen über die zwischen den Schienen eingegrabenen Kameras – und damit gewissermaßen auch über die biederen Kinobesucher – hinwegbrauste. Mit rückhaltloser Bewunderung gratulierten wir Willy Zielke zu diesem Kunstwerk, während der damalige Generaldirektor der Deutschen Reichsbahn, Herr Dr. Julius Dorpmüller, sich stumm erhob, seine Melone aufsetzte und – zusammen mit diversen Reichsbahnräten – kopfschüttelnd den Raum verließ. Zugegeben, ein Werbefilm im üblichen Sinn, mit fröhlichen Schaffnern, zufriedenen Gästen im Speisewagen, Postkarten-Fensterblicken auf weidende Kühe, winkende Kinder sowie Fluss- und Gebirgslandschaften war das nicht.
Hans Ertl: Meine wilden dreißiger Jahre – Bergsteiger, Filmpionier, Weltenbummler.
München, Berlin: Herbig 1982, S. 197.
Ein Film über die Eisenbahn. Eine lohnende, dankbare und nicht schwierige Aufgabe, wird man denken. Wie schwer aber hat sich Willy Zielke das Thema gemacht? Er läßt nicht einfach Züge dahinrasen über verwirrende Schienenstränge und seziert auch nicht, wie das Brauch geworden ist, den Präzisionsmechanismus des Eisenbahnbetriebs, sondern er versucht mit den technischen Mitteln des Films ein Phänomen der Technik zu analysieren. Ein unerhörter und unseres Wissens einmaliger Vorgang: Ein Produkt des menschlichen Verstandes, berechenbar in Maß und Wirkung, eine »seelenlose« Maschine wird zum Gegenstand filmischer Philosophie.
In seinem wesentlichen Teil besteht der Film nur aus faszinierenden Montagen. Aus Konstruktionszeichnungen, starrenden Augen, rechnenden Bleistiften, aus blitzartigen Blicken in die Gieß- und Walzvorgänge, in einem motorischen Rhythmus ineinandergeschnitten, steigt wie ein nach qualvollen Mühen erkämpfter Triumph der funkelnde Leib des Stahltiers hervor. In seinen Geburtsakt sind die Erfinderschicksale und -tragödien unlösbar hineinverflochten. Cugnots Dampfwagen zerschellt an einer Mauer, hinter einem Bretterzaun experimentiert James Watt an seinem fauchenden Koloß und Stephenson steuert sein »Rocket« von Stockton nach Darlington. Alle diese Spuren technischer Entwicklung haben das ahnungsvolle, um nicht zu sagen, gespenstische Geheimnis keimenden Lebens an sich. Das geborene Stahltier indessen ist ohne Geheimnis. Es rast über Gleise und Schwellen und die Kamera rast, hart über einer Schiene montiert, mit: Entfesselte Kraft, erzeugt aus Unsummen von geopferten Nächten, Verzweiflung, Tod und Triumph.
Das ist, insgesamt, eine mit nahezu selbstzerfleischender Gründlichkeit durchexerzierte Auseinandersetzung des Geistes mit der Technik, in der bereits die Tragödie des von seinem Werk unterjochten Menschen in grellen Dissonanzen anklingt. Peter Kreuders Musik kommentiert diese Situation auf kongeniale Weise. Die Bildkonglomerate sind von einer bestürzenden Vitalität. Das ist nicht mehr Kulturfilm, nicht mehr Dokument, das ist künstlerische Dokumentation von schockierender und erhebender Wirkung zugleich. [...]
Wenn allerdings der Film stellenweise dem Verständnis des Zuschauers sich entzieht, so liegt das daran, daß die ursprüngliche (abendfüllende) Länge, aus welchen Gründen immer, auf die Hälfte zusammengestutzt wurde, so daß nur noch ein Torso übrig geblieben ist. Das wirkt, um im Bilde zu bleiben, wie ein verbotener Eingriff in einen Organismus und verstümmelt die künstlerische Absicht des Schöpfers beträchtlich.
H. H. [= Henning Harmsen]: Das Stahltier
Evangelischer Film-Beobachter, Nr. 13, 25.3.1954