Russland 1905: Landesweit kommt es zu Revolutionsbewegungen gegen das zaristische Regime. Auch auf dem Panzerkreuzer »Potemkin« rumort es: Während die Matrosen verdorbenes Essen bekommen, werden die Offiziere bestens versorgt. Als einige aufrührerische Matrosen erschossen werden sollen, eskaliert die Situation und es kommt zur Meuterei. Die Offiziere werden über Bord geworfen. Als der Panzerkreuzer vor dem Hafen Odessa ankert, zeigt sich die Bevölkerung solidarisch und versorgt die Mannschaft mit Proviant. Plötzlich erscheinen Kosaken, die ohne Erbarmen in die Menge schießen und dabei auch Frauen und Kinder töten. Das Massaker kann nur durch einen Kanonenschuss des Panzerkreuzers beendet werden. Als das zaristische Admiralsgeschwader am Horizont auftaucht, machen sich die Matrosen zum Kampf bereit, doch dann verbrüdern sich die anderen Schiffe mit den Meuterern und Potemkin kann ungehindert passieren. Am Mast hängt die rote Flagge der russischen Revolution.
Imperial Russia, 1905: A revolutionary movement against the Czarist regime is gaining momentum countrywide. On the battleship »Potemkin« the sailors live in squalid conditions and get maggot-ridden rations, while the officers live in luxury. When the officers threaten to shoot several rabble-rousing sailors, the situation escalates; leading to mutiny and the officers being thrown overboard. As the battleship drops anchor in the harbor at Odessa, the people of the city show their solidarity by supplying provisions for the sailors. Without warning, Czarist troops in Odessa begin mercilessly shooting innocent men, women and children. The sailors then realize that the massacre can only be stopped by the cannons on the battleship. As a squadron of Imperial ships crosses the horizon, the sailors prepare for battle and signal the other ships to let them pass. The »Potemkin« can then steam to freedom and on the mast flies the red flag of the Russian revolution.
Wenn von den Dokumenten der letzten zwanzig Jahre alles verlorenginge und nur der PANZERKREUZER POTEMKIN gerettet würde, man hätte ein Zeugnis ablegendes, gültiges Menschenwerk bewahrt, wie die Ilias, wie das Nibelungslied. Der Regisseur des Films? Er ist fast gleichgültig. Aber er heißt Eisenstein. Er hat etwas technisch Vollkommenes geschaffen und eine Weltgesinnung ausgedrückt.
Herbert Ihering: Panzerkreuzer Potemkin [Zur Uraufführung der deutschen Fassung]
Berliner Börsen-Courier, 1.5.1926
Man sieht zwar im Anfang noch, daß der schlafende Matrose sich gequält umdreht. Warum? Scheinbar träumt er schwer, und man erwartet schon, daß jetzt eine der bekannten Visionen komme: »Trautes Heim – Glück allein«, der Matrose zu Hause an der Wiege seines neugeborenen Kindes – denn der Knutenhieb, der ihn getroffen hat, ist weggeschnitten. Kein Offizier, nicht einmal der Schiffsarzt wird ins Wasser geworfen, kein Kneifer hängt mehr in den Tauen. Und die Kosaken? Sie marschieren noch die Treppe hinunter. Aber schießen sie noch? Man kann es kaum sehen. Fällt jemand? Schon ist es vorüber. Ein Massenauflauf wird harmlos zerstreut. Regie: Buchowetzki. Fast alle Großaufnahmen fallen weg. Der ganze Aufbau, die phänomenale Steigerung, der Wechsel der Einzel- und Massenbilder, der Kontrast des dröhnend ruhigen Kosakenmarsches und der aufgestörten Bevölkerung, der Rhythmus, die aufpeitschende Gewalt – alles ist weg. Es ist das beste Zeugnis für den Wert des Films und den Unwert der Bearbeitung, daß mit der Vernichtung der menschlichen Gesinnung auch die künstlerische Wirkung dahin ist. Eisensteins Werk ist für Deutschland ruiniert. Gerade weil dieser Film in seinen Wirkungen so genau berechnet und komponiert ist, kann man nur behutsame Schnitte vornehmen (wie es die erste deutsche Bearbeitung getan hat). Die neue Bearbeitung ist schlimmer als die oft belächelten Klassikerausgaben für höhere Schulen und Töchterpensionate. Mit dieser Verstümmelung haben die, die sich für den Film eingesetzt haben, nichts mehr zu tun.
Herbert Ihering: Die Zensurfassung des »Potemkin« [Zur gekürzten Fassung]
Berliner Börsen-Courier, 28.7.1926
POTEMKIN ist der gültige Ausdruck einer Epoche. Zu sagen etwa, daß er heute noch, in Einstellungen und Lichthandhabung, Vorbild ist und unerreicht, wäre billig. Er ist und wird sein.
An das Werk der drei großen Filmschöpfer S. M. Eisenstein, E. Tisse, G. Alexandrow sind drei Bearbeiter behutsam herangegangen: Edmund Meisel, der Komponist, Piel [= Phil] Jutzi, Monteur des Films, und als Tongestalter A. J. Lippl.
Titel fielen selbstverständlich fort; sie waren in der Urfassung nichts als Zwischenlösung. Man ist eben heute weiter. So wird das Geschehene von einem Sprecher episch erläutert, dessen Worte klangliche Untermalung rhythmisieren. Stilisierung unter Wahrung der Kunstform.
Kurze Dialoge, wo das Wort fehlt. Hier, bei der notwendigen Divergenz im Ablauf zwischen dem stummen Bild und dem um den Ton vermehrten, sind gerechtfertigte Schnitte.
Musik schafft die Überleitung. Sie erzielt ihre stärksten Wirkungen mit dem Trauermarsch der russischen Revolutionäre und der klassisch gewordenen Maschinenmusik, die untrennbar ist vom Bilde, ihm in der Konzeption gleichwertig.
Was solchermaßen entstanden, ist nicht nur Bearbeitung: Es ist eine Ergänzung, die das alte Werk organisch umschmilzt zur neuen Form des tönenden Films.
Hans Feld: Der tönende Potemkin [Zur Tonfassung]
Film-Kurier, Nr. 190, 13.8.1930