Monolog für einen Taxifahrer (DDR 1962)

Inhalt - Synopsis

Eine moderne Weihnachtsgeschichte. Am Heiligabend soll ein missgelaunter berliner Taxifahrer eine hochschwangere junge Frau ins Krankenhaus fahren. Sie bittet ihn inständig, ihren Mann zu benachrichtigen. Der Taxifahrer kann aber den jungen Mann nicht finden und hat außerdem bald Feierabend. Wegen Personalmangels bittet ihn sein Chef allerdings, seine Schicht zu verlängern. Nach einem Streit mit seiner Frau, die wegen der verlängerten Arbeitszeit wütend ist, macht er sich verärgert weiter auf die Suche nach dem werdenden Vater, u.a. bei dessen Arbeitsstelle, wird aber überall nur abgewiesen oder ausgelacht. Schließlich fährt er zum Krankenhaus, um sich nach der jungen Frau zu erkundigen. Dort trifft er auf seine Kollegen, die ebenfalls alle nach dem Vater des Kindes gesucht haben. Da taucht dieser plötzlich auf und alles nimmt ein gutes Ende.

A modern Christmas story. On Christmas Eve, an ill-humored taxi driver in East-Berlin picks up a pregnant woman in labor to bring her to the hospital. She insists that he contact her husband and let him know. But the taxi driver can’t find him and his shift is almost over. His boss, however, asks him to work overtime due to a lack of staff, instigating a quarrel between the taxi driver and his wife. Increasingly frustrated, the driver continues his search for the expectant father, only to be ridiculed and rejected wherever he goes. When he goes back to the hospital to check on the young woman, he meets the other taxi drivers, who have also been searching for the father. Suddenly, the young father arrives and brings about a happy ending.

Zeitgenössische Kritiken:

Obwohl das Stück in der DDR spielt, ist der Mensch auf sich allein gestellt. Er erscheint außerhalb und ohne die Gesellschaft als »Mensch an sich«. Die Beziehungen zwischen dem Taxifahrer und seiner Frau, die Beziehungen zu seinen Kollegen, die Beziehungen der in der Handlung auftauchenden Personen sind durchweg verzerrt dargestellt. Der Taxifahrer, der hier als der einfache Mensch aufzufassen ist, hat ständig pessimistische und nihilistische Gedanken. Wir können es nur als beleidigende intellektuelle Überheblichkeit gegenüber den arbeitenden Menschen dieser Republik auffassen, wenn von ihnen als einem Volk von verhinderten und nicht verhinderten Polizisten, als Normalverbrauchern, Durchschnittsmenschen, Durchschnittsnieten, Durchschnittsversagern gesprochen wird. Statt sozialistischer Parteilichkeit für unsere Republik und ihre Menschen finden wir skeptizistische Distanzierung, Verachtung der Arbeiterklasse und des Kampfes der arbeitenden Menschen. Statt der Wahrheit und Schönheit unseres Lebens mit all seinen Konflikten finden wir das entstellte primitive Bild eines Lebens ohne Wärme, ohne menschliche Größe. [...] Unter dem Vorwand, menschliche Probleme aus unserem Alltag aufzugreifen, wird der sozialistischen Gemeinschaft der Kult des Einzelgängertums, wird dem optimistischen Lebensgefühl des sozialistischen Menschen die existentialistische Philosophie der Hoffnungslosigkeit entgegengestellt.
Rede Kurt Hagers auf der Beratung des Politbüros des ZK und des Ministerrats mit Schriftstellern und Künstlern, 25./26.3.1963. In: Elimar Schubbe (Hg.): Dokumente zur Kunst, Literatur- und Kulturpolitik der SED. Stuttgart: Seewald 1972, S. 881.

28 Jahre später erregt der einstige Sprengstoff nostalgisches Staunen. Berlin damals. Die Mode. Der Geschmack der Leuchtschrift-Designer. Die Läden. Eine Topographie der Orte schiebt sich stetig vor das Selbstgespräch eines Taxichauffeurs und seiner Odyssee durch den weihnachtlichen Abend. Irgendwo in einem Geschäft liest er ein Mädchen auf, die ersten Wehen sind schon da, der Freund weiß von nichts. Also macht der Taxifahrer sich auf die Suche. Eine Hindernistour. Unfreundliche Passagiere, barsche Anweisungen, niemand will den Namen gehört haben. Türen schlagen zu, Telefone werden aufgehängt, daheim gibt’s Gezeter, Vorwürfe, Beschimpfungen. Der einsame Mann im Fonds registriert Kommunikationskälte und Beziehungsleere. Trübsinn kommt auf und ein Gefühl existentieller Nutzlosigkeit. Die verweigerte Hilfe zermürbt, das Happy-end scheint aus dem Sack des Weihnachtsmannes zu rollen.
Ein grüblerisches Gleichnis, eine Miniatur der Zweifel. Alltagsempfinden als seelische Stimmungsskizze. Dunkel grundiert, in Moll getönt. Eine asketische Reflexion. Die Kamera (Werner Bergmann) pendelt zwischen intimer Statuarik, expressiver Unruhe und einem kalten Nachtstraßen-Impressionismus. Fred Düren (Taxifahrer) bewegt sich frustriert, gehemmt, ohnmächtig durch einen unfrommen Heiligabend. Ein desillusionierter Begriffstutziger, ein Trotzdem-Träumer.
N. W. [= Norbert Wehrstedt]: Tele Kurz – Monolog für einen Taxifahrer
Sonntag (Berlin/DDR), 27.4.1990