Mit großem Idealismus tritt Karla ihre erste Stelle als Lehrerin an einer Oberschule in einer Kleinstadt in Mecklenburg an. Sie beginnt eine komplizierte Liebesbeziehung mit dem Journalisten Kaspar. Er hat vor Jahren resigniert, als er einen Artikel über Stalins Unrechtsregime nicht veröffentlichen durfte. Auch Karla erkennt, dass eine eigene Meinung nicht sehr gefragt ist. Als sie ihre Abiturklasse auffordert, nicht nur Parteifloskeln nachzuplappern, sondern selbst zu denken und kritische Fragen zu stellen, trifft sie auf Widerstand der Schulleitung. Der Direktor mag Karla zwar sehr gern, setzt aber auf Klarheit und Vereinfachung. Schließlich passt Karla sich an und erhält sogar eine Auszeichnung. Als sie erkennt, dass sie genauso resigniert hat wie Kaspar, ändert sie ihren Kurs und gibt all den Schülern eine schlechte Note, die nur nach dem Mund des Lehrers und der SED-Ideologie reden. Die Schulrätin, die Karla schon lange zwangsversetzen will, findet schließlich einen geeigneten Grund, als Karla sich aus einer Laune heraus auf einen Flirt mit einem Schüler einlässt.
Karla idealistically starts her first teaching position at a grammar school in Mecklenburg and begins a complicated love affair with Kaspar, a former journalist. Years ago, he withdrew into a shell of resignation after not being allowed to publish an article about Stalin’s tyrannical regime. It becomes quite clear to Karla that society is not interested in individual viewpoints and opinions. When she challenges her high school class to think for themselves and bring up critical questions instead of following the usual political rhetoric, she runs into resistance from the school administration. The headmaster, who holds quite a liking for Karla, prefers however a clear, simply structured program. Karla adapts her teaching style well enough to win an award, but soon realizes that she has become equally as stoic as Kaspar. Karla changes her course and gives bad marks to all those students who only repeat what the teacher and the communist ideology wants them to say. The schools inspector, who has been looking for a reason to force Karla out of her job, fires her when they find out about Karla’s whimsical flirtation with one of her students.
Die Lehrerin fragt: »Kennt ihr Fontane?« Die Antwort kommt prompt: »Fontane stand in der Front der kritischen Realisten als linker Flügelmann. Er hat die Kraft der Arbeiterklasse voll erkannt, wenn auch noch nicht gültig gestaltet.« Und wieder die Lehrerin: »Wer hat euch diesen Unsinn erzählt?« Mit sichtlichem Genuß antwortet einer: »Diesen Unsinn hat uns der Herr Direktor erzählt.«
Auf ungewöhnliche Art beginnt die Unterrichtsstunde einer soeben von der Hochschule entlassenen Lehrerin. Sie hat eine Abiturientenklasse übernommen: Lehrende und Lernende sind gleich jung. Karla Blum weiß, es wird nicht einfach für sie sein. Viele, die vor ihr sitzen, suchen Antwort auf komplizierte Fragen. Sie werden sich nicht mit leeren Worten zufriedengeben. Karin will versuchen, immer Antwort zu geben, nach bestem Wissen. Eine entscheidende Etappe aus dem Leben der jungen Lehrerin in unserer Republik erzählt der neue DEFA-Film KARLA. Die Hauptrolle übernahm Jutta Hoffmann. Sie erzählt über ihre Arbeit an dieser Rolle:
»Ich glaube, ich spiele diese Karla gern, weil sie ein Mensch mit eigener Meinung ist. Karla besitzt Ideale, die sie nicht aufgeben will. Was sie für richtig erkannt hat, dafür tritt sie vorbehaltlos ein. Als es für sie an der Schule schwierig wird, entscheidet sich Karla trotzdem für den schwierigen Weg. Nur einmal versucht sie, sich ›anzupassen‹ (man kann mit dem Kopf doch nicht durch die Wand). Sie wird gelobt – und ist unglücklich. Ihre letzte Entscheidung gehört wieder dem Richtigerkannten, dem Komplizierten ...
Zuerst hat mich an diesem Film die Geschichte interessiert, das Thema – erst dann die Person Karla. Ich glaube, daß Menschen oft bereit sein können, ihre Ideale aufzugeben oder sogar ein Stück eigener Individualität, wenn es Schwierigkeiten für sie gibt. Unsere sozialistische Gesellschaft braucht aber Menschen, die eigenständig denken. Nur sie können schöpferisch arbeiten. Karla versucht, solch ein Mensch zu sein.«
Steffi Hoffmeister: Karla
Für Dich, Illustrierte Zeitschrift für die Frau (Berlin/DDR), Nr. 46, 2.11.1965
Das rührte an den von seiten der Obrigkeit verordneten Schlaf der DDR. Das regte zum Denken an. Das reizte zum Weiterdenken. Da half auch nicht, daß diese Obrigkeit im Film sich höchstpersönlich hochvernünftig geben durfte. Da half auch nicht, daß der alte gute Genosse Schuldirektor lebenslänglich ein Pfundskerl war: Der Film, wie viele dieses DEFA-Jahrgangs, kam in den Keller. [...]
Da kommt so ein junges Gör von Lehrerin direkt aus der Uni in eine Schule und denkt, man müsse die Abiturienten insbesondere das Denken lehren, sie zu einer eigenen (eigenen!) Meinung verleiten. Das mußte mißtrauisch machen, damals ... Und ihr Sympathien und Antipathien einbringen. Die Strafe für Karla »Kohlhaas« folgt auf dem Fuße, die Strafversetzung ist eine Frage von Tagen.
Mit diesem Streifen aus der Serie von SPUR DER STEINE oder DAS KANINCHEN BIN ICH erfolgt etwas Merkwürdiges, hier holt die Vergangenheit die Gegenwart partiell schon wieder ein, hier machen sich Probleme deutlich, wie sie durchaus schon wieder eine Rolle spielen. Die Grundmuster scheinen unverwüstlich. »Also, Sie wollen doch nicht sagen, von Ihnen würde Heuchelei verlangt?« heißt es im Dialog. Nein, im Gegenteil, es wurde immerdar Aufrichtigkeit verlangt. Alle aber wußten, sowohl jene, die es abforderten, wie jene, die aufrichtig sein sollten, daß das teuer zu stehen kommen könnte. Da war dann Heuchelei schon praktischer, und sie wurde schließlich auch erwartet.
Das Szenarium und das Drehbuch – ordentlich gebaut wie ein fünfaktiges Theaterstück – stammen vom »Schwarzen Schaf« Plenzdorf. Der hat keineswegs auf die Pauke gehauen, hat eher vorsichtig gesagt, daß er fühle, wie da einiges nicht stimme im Staate DDR. Hat auch Alibis (s. o.) eingebaut. Und Herrmann Zschoche hat die Konflikte nicht provokativ nach vorne inszeniert. Es half nichts, weil nicht sein konnte, was nicht sein durfte. Der Film kam nicht in Umlauf.
Aber noch etwas tut sich kund, sozusagen als Information der zweiten Ebene: Ohne alle polemischen Absichten beweist sich heute über den Film eine für die DDR geradezu verblüffende Provinzialität, Biederkeit und real existierende Unwirklichkeit. Ein zu groß geratenes Potemkinsches Dorf mit byzantinischem Einschlag. Es ist ein bißchen makaber.
Günter Sobe: Meinen Sie, man hätte Heuchelei verlangt?
Berliner Zeitung, 15.6.1990