Hete Fent arbeitet als Angestellte im Büro einer Fabrik, wo auch Ihr Verlobter Paul arbeitet. Als sie schwanger wird, stehen sie vor einer schwierigen Entscheidung, da sie weder eine gemeinsame Wohnung noch ein ausreichendes Einkommen haben, um für ein Kind sorgen zu können. Sie wollen das Kind jedoch bekommen und freuen sich sogar darauf. Doch dann werden die Arbeiter von der Fabrik ausgesperrt, weil sie gegen die geringen Löhne protestiert haben, und Paul wird arbeitslos. Hete sucht nach einem Arzt, der eine Abtreibung vornimmt, doch niemand ist dazu bereit. Schließlich geht sie zu einer Engelmacherin, die ihr Cyankali verabreicht, um eine Fehlgeburt herbeizuführen. Die Dosis ist jedoch zu hoch und Hete stirbt qualvoll an der Vergiftung. Daraufhin wird auch ihre Mutter verhaftet, die verdächtigt wird, Beihilfe zur unerlaubten Abtreibung geleistet zu haben.
Hete Fent works in the office of the factory, where her boyfriend Paul is a blue-collar worker. After finding out that she is pregnant, Hete realizes that her dream of their own apartment and having enough money to raise the child will be difficult, but she still looks forward to having a child. Failed union negotiations lead to a lock-out at the factory and with both herself and Paul unemployed, she sees no hope and it seems her only option is to be one of the many women in the Weimar Republic to have an illegal abortion. After being refused treatment by a cynical doctor, Hete goes to a supposed wise woman who gives her a high dose of potassium cyanide to abort the birth. Hete overdoses and dies in her mother’s arms. Her mother is then arrested for aiding and abetting a forbidden abortion.
CYANKALI [...] ist (als deutscher Foxfilm) von Hans Tintner nach dem Schauspiel von Friedrich Wolf gedreht. Aber er erreicht die Schärfe und Schlagkraft des Dramas nicht. Aus der Anklage wird larmoyante Milieuskizze und Mitleidsbettelei. Auch hier fehlt, noch deutlicher, die geistige Zielsetzung. Hier fehlt, zweitens, die Sprache. #Cyankali# ist ein stummer Film, dem nur an Höhepunkten einige wenige Worte eingesetzt sind. Aber er ist nachträglich mit Musik versehen. Diese synchronisierte Musik zerstört den Film. Wenn CYANKALI im Sinne von Aufklärungsfilmen als alter ehrlicher Kintopp wirken sollte, was man verstehen könnte, müßte er richtige, scharfe Orchestermusik haben. Aber Kintopp von 1920 und eine mechanische Dudelmusik von Schmidt-Gentner, das ist zuviel. Diese Musikzusammenstellung von Schmidt-Gentner erweicht alles Anklägerische und spielt es ins Sentimentale hinüber. Eine Qual, sie zu hören.
Schade. Auch hier hatte man den Mut, ein gewagtes Thema zu drehen, und zerstörte die Wirkung durch den Mangel an Konsequenz. Es geht etwas vor im deutschen Film. Man merkt, daß es mit alter Thematik nicht weitergeht. Man wagt etwas. Aber man macht es noch nicht richtig.
Herbert Ihering: Cyankali
Berliner Börsen-Courier, 24.5.1930 (Abendausgabe)
Um es vorwegzunehmen: Die ungeheure Wahrheit des Geschehens, die Echtheit der Darstellung – in deren Vordergrund die unvergleichliche Mosheim steht – lassen nicht eine Sekunde lang das Tendenziöse, Agitatorische des Films bewußt werden. Der Film wird überall interessieren. Wie immer man zu jenem Paragraphen steht, hier wird ein brennendes Problem der Gegenwart zur Diskussion gestellt, mit dem sich jeder auseinanderzusetzen hat.
Das Werk wirkt in seiner Geschlossenheit, in seiner gedrängten und lebenswahren Handlung stärker als jede allzu deutliche Herausarbeitung tendenziöser Motive vermocht hätte. Es galt, das Abgleiten einiger schlichter, einfacher Menschen aus der ohnehin unsicheren Existenz eines erbärmlichen Mietskasernenlebens in den Jammer der Arbeitslosigkeit zu schildern, ohne jedoch das soziale Problem in den Vordergrund zu stellen und so vom Hauptthema abzukommen. Buch und Regie, beide in den Händen Hans Tintners, haben diese Klippe glücklich umschifft. Die menschliche Not der Heldin dreht durchaus im Vordergrund. Die Not und das Elend eines Mädchens, das unschuldig in dem Räderwerk einer Gesetzes-Apparatur zugrundegeht. Die Wirkung des Films wird Hunderttausenden zu Herzen gehen. Der Film wird aber auch jenen weniger Zahlreichen ins Gewissen sprechen, die aus Gründen, die dem Volk schwer verständlich sind, für das Weiterbestehen jenes unheilvollen Paragraphen, der mit dem Geist des Fortschrittes und der Humanität unvereinbar scheint, eintreten.
Die Regie Tintners ist die Arbeit eines Künstlers, der mit behutsamem Fingerspitzengefühl auch delikate und heikle Dinge anzufassen versteht. Er geht vielleicht allzusehr ins Detail. Dramatischere Straffung wäre dem Film an mancher Stelle nicht abträglich gewesen.
In der Hauptrolle bietet Grete Mosheim eine ihrer besten und geschlossensten Film-Leistungen. Hier steht eine Künstlerin, prädisponiert für den Typ der leidenden, unglücklichen Frau wie keine zweite Künstlerin des deutschen Films. Weniger akzeptabel Nico Turoff, der Bräutigam. Herma Ford als Mutter arbeitet mit schlichten, aber desto eindringlicherein Gesten. Einen frischen Zug bringt die Nachbarin der Dora in den düsteren Film. Durchaus Rahmenfiguren bleiben Claus Clausen, Margarethe Kupfer und Louis Ralph.
Der Film ist als Ton- und Sprechfilm (System Tri-Ergon) hergestellt. Musik und Sprache kommen annehmbar. Schmidt-Gentner zeichnet für die musikalische Illustration.
Der Film wird seinen Weg durch die deutschen Kinos machen! Die gestrige Premiere im »Babylon« stand im Zeichen eines starken Erfolges.
–n: Cyankali
Lichtbild-Bühne, Nr. 124, 24.5.1930