„Der Bundeskanzler wünscht einen harten Kurs!“
Westdeutsche Filmzensur durch den Interministeriellen Ausschuss für Ost/West-Filmfragen
Neben der FSK gab es in der frühen Bundesrepublik noch eine weitere, weniger bekannte Institution, die für die Zensur von Filmen zuständig war: den „Interministeriellen Ausschuss für Ost/West-Filmfragen“. Hinter dem sperrigen Namen verbarg sich ein Gremium der Bundesregierung, das sich aus Vertretern verschiedener Bundesbehörden zusammensetzte. Der Ausschuss hatte die Aufgabe, alle Filme, die aus sozialistischen Ländern importiert und in der Bundesrepublik vorgeführt werden sollten, vorab zu sichten. Zwischen 1953 und 1966 hat der Ausschuss nachweislich über 3.000 Filme geprüft – und in ca. 130 Fällen keine Genehmigung für eine Vorführung erteilt. Zu den Filmen, die zensiert wurden, zählten tschechische Spielfilme wie Das Höhere Prinzip, sowjetische Filme wie der zweite und dritte Teil von Der stille Don sowie zahlreiche Dokumentar- und Spielfilme der DEFA, darunter DU UND MANCHER KAMERAD, THOMAS MÜNTZER, BERLIN – ECKE SCHÖNHAUSER und der DER UNTERTAN.
Die rechtlichen Grundlagen, auf die sich der Interministerielle Ausschuss bei seiner Arbeit stützte, waren von Beginn an umstritten. Bis 1961 gab es in der Bundesrepublik de facto kein Gesetz, das die Arbeit des Ausschusses regelte. Erst mit Inkrafttreten des „Verbringungsverbotsgesetzes“, das die Einfuhr von Filmen aus bestimmten Ländern generell von einer Genehmigung abhängig machte und eine Prüfung der Filme vorsah, um Verstöße gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung ahnden zu können, war der Interministerielle Ausschuss de jure besser abgesichert. Die Zweifel am Verstoß gegen das Zensur-Verbot des Grundgesetzes blieben jedoch bestehen: Warum sichtete der Ausschuss nur Filme aus den sozialistischen Ländern? Konnten verfassungsfeindliche Filme nicht genauso aus einem demokratischen Land stammen? Durfte ein einzelner Ausschuss der Bundesregierung eigenmächtig die Verfassungsfeindlichkeit eines Films feststellen, ohne das Bundesverfassungsgericht zu konsultieren?
Der Vortrag hinterfragt die Zensurpraxis des Interministeriellen Ausschusses am Beispiel einzelner DEFA-Spielfilme, die vom Ausschuss nicht für eine Aufführung in der Bundesrepublik freigegeben wurden. Dabei werden sowohl die Motive des Ausschusses, als auch die politischen Hintergründe der Zensur diskutiert.