Entsittlichend – verrohend – anstößig.
Auf der Spur deutscher Zensurdokumente in russischen Archiven
In der Regel sind – wenn überhaupt – nur schriftliche Dokumente der Filmzensur überliefert, nur in überaus seltenen Fällen die Filmausschnitte selbst. In meinem Papier hingegen geht es um den raren Fall von zensierten Filmmaterialien, die vermutlich aus dem von der Filmprüfstelle Berlin gesammelten Bestand von Zensurausschnitten stammen und seinerzeit als »entsittlichend«, »verrohend« und »anstößig« eingestuft wurden. Meiner These zufolge handelt es sich um Zensurausschnitte aus einer Sammlung, die die Filmprüfstelle im Sommer 1938 an das Reichsfilmarchiv übergeben hatte und die bei Nichtübernahme vernichtet worden wäre. Am 12. September 1942 forderte die Filmprüfstelle diese Ausschnitte zurück. Der Leiter des Reichsfilmarchivs, Richard Quaas, drängte jedoch mit dem Hinweis, dass das Material filmkundlich außerordentlich interessant sei und von der Filmprüfstelle ursprünglich zur Vernichtung vorgesehen war, zur Rückgabe. So gelangten die Filmausschnitte am 27. April 1943 wieder in das Reichsfilmarchiv.
Im Chaos des Kriegsendes ging mit dem Deutschen Reich 1945 auch das Reichsfilmarchiv unter. Umfangreiche Bestände an Filmmaterial und filmbegleitenden Materialien wurden verstreut, verlagert oder vernichtet, darunter auch Archivdokumente der Filmzensur.
Meine Recherchen in Moskauer Archiven führten mich auf die Spur von Dokumenten der deutschen Filmzensur vor 1945, darunter auch zu Filmfragmenten. Der fragmentarische Bestand wirft jedoch methodische und recherchestrategische Fragen auf: die Filmausschnitte müssen identifiziert und kontextualisiert werden, z.B. durch Hinzuziehung weiterer Dokumente wie Zulassungskarten und Zensurentscheidungen. Der Werkstattbericht gibt Einblick aus einem laufenden Forschungsprojekt zu den Zensurfragmenten.