Schauplatz des Films ist ein Mietshaus in Wien: Zu seinen Bewohnern gehört der Fußballspieler Charles Boulla, dessen jüngstes Match seine Nachbarn im Radio verfolgen. Bei seiner triumphalen Heimkehr macht ihm die junge Paula schöne Augen, doch Charles’ Interesse richtet sich auf die neue Mieterin Marie, die bei der Vermieterfamilie Binder als Hausmädchen dient, nachdem ihre Vorgängerin Milly wegen nächtlichen Herrenbesuchs entlassen wurde. Dass Marie eine arbeitslose Geschichtslehrerin ist und ein gefälschtes Arbeitszeugnis besitzt, hält der Arbeitsvermittler Berger geheim. Während sich Marie der Belästigungen ihres Arbeitgebers zu erwehren hat und den ungeschickten Annährungsversuchen Boullas Sympathien entgegenbringt, haben die Hausbewohner ihre eigenen Sorgen: der bankrotte Anwalt Podeletz verlässt die Wohnung nicht mehr, aus Angst vor einer Kündigung; die vereinsamte Schneiderin Kreuzbein erbarmt sich eines Bettlers; die Ehe der Binders hängt an einem seidenen Faden. Als Marie eine Stelle in Salzburg erhält und kündigen will, ist nicht nur Boulla schmerzlich enttäuscht. Die Hausgemeinschaft verdächtigt zudem Marie als Diebin.
Der »Wiener« Hinterhof steht im Pariser Tobis-Studio und wird, im Frühjahr 1933, von Film-Emigranten bevölkert. Das Drehbuch stammt von Anna Gmeyner, einer enen Mitarbeiterin von Pabsts Regieassistenten Herbert Rappaport. Neben den französischen Stars Jean Gabin, Janine Crispin und Michel Simon spielen Wladimir Sokoloff (als Stellenvermittler eine Art gute der Arbeitslosen) und Peter Lorre (als Bettler, der sich seine Lumpen selbst zur angemessenen Berufskleidung zuschneidet). Ernö Metzner errichtet die Bauten; Eugen Schüfftan führt die Kamera.
Eine Equipe von Exterritorialen hat sich zusammengefunden – Exilierte, »die an einem Ort versammelt, doch auf keine lokale Querschnittssumme mehr verrechenbar sind«, wie Gertrud Koch [in Frauen und Film, Heft 53, Dezember 1992] schreibt, die sicher mit Recht vermutet, daß in den sozialen Verwerfungen der Filmfabel, in der Instabilität der alten Klassenzuordnungen wie auch im improvisierten Leben der handelnden Figuren die Bruchlinien des Exils abzulesen sind. Eine »schwierige Lokalisierbarkeit« (der Menschen, ihrer Abkunft, ihrer Zielperspektiven) kennzeichnet letztlich auch die Lokalität – eben diesen Hinterhof in einem ehemals bürgerlich geprägten, in »haut« und »bas« gegliederten Ambiente, die jetzt zur Durchgangsstation (oder zur Endstation) für Menschen geworden ist, die gelernt haben, aus dem Stegreif zu leben.
Klaus Kreimeier: Trennungen. G. W. Pabst und seine Filme.
In: Wolfgang Jacobsen (Hg.): G. W. Pabst. Berlin: Argon 1997
Es ist eine heitere Atmosphäre um die Komplikationen der kleinen Leute, mit der G. W. Pabst 1933 seine Komödie DU HAUT EN BAS grundiert und den im Pariser Tobis-Studio gedrehten Film unverkennbar im Zeichen des Französischen Poetischen Realismus eines René Clair oder Julien Duvivier inszeniert. Die Sympathie gehört dem savoir vivre dieser kleinen Leute, das so österreichisch wie französisch anmutet – das gute Essen, der Gugelhupf und die Würste, das Glas Wein und die Halbe Bier, die Musik aus dem Lautsprecher oder von den Hofmusikanten. Obwohl Missgunst und Eifersucht Kabale und Liebe provozieren, wächst nichts zum tragischen Konflikt aus. […]
Auch der Schauplatz des Films ist Theater, und die Bühnenautorin Anna Gmeyner, die hier ihr erstes Drehbuch liefert, beherrscht ihr Metier. Das hatte sie bereits mit ihrem Volksstück »Automatenbüfett« demonstriert. […] Gmeyners Drehbuch basiert auf dem gleichnamigen Lustspiel des ungarischen Autors Ladislaus Bus-Fekete. Die Filmautorin behält die Theaterhaftigkeit des Schauplatzes bei. Denkt man an René Clairs SOUS LES TOITS DES PARIS, in dem die Handlung um ein Mietshaus kreist, zugleich aber auch in den Plätzen, Straßen, den Bistros und Tanzsälen des Parisers Quartiers spielt, wird deutlich, wie radikal und theaterbühnenhaft hier der Ort konzentriert wird. […] Im Hintergrund dieser ästhetischen Konzeption steht das Modell der Simultanbühne, das Erwin Piscator Ende der zwanziger Jahre in Berlin mit seinen avantgardistischen Inszenierungen entwickelt hatte. Integrierte Piscator Bildprojektionen und Filmsequenzen, so rückt die Kamera in der filmischen Realisierung an die entscheidende Stelle und übernimmt die Funktion, die Bewegung der Figuren, Blicke, Dinge zwischen den Räumen – vertikal, über Treppen, und horizontal, über die Galerien, den Hof – zu verknüpfen. <Du haut en bas> – von oben nach unten. Und umgekehrt. […]
DUHAUT EN BAS ist ein Krisenfilm – und wie jede gute Komödie abgründig. Der Hausierer, gespielt von Peter Lorre, spricht den Schlüsselsatz: »C’est la crise.« In die Krise geraten sind alle wesentlichen sozialen Kategorien: Identität, Klasse, Geschlecht. Der Film spielt mit ihren Ordnungssystemen und Zeichen, mit Wörtern und Kleidern, die Figuren verlieren und gewinnen. Schein und Sein. Alle sind nicht, was sie sind.
Heike Klapdor: Die Welt kommt ins Haus.
In: Michael Omasta, Brigitte Mayr (Red.): Script: Anna Gmeyner. Eine Wiener Drehbuchautorin im Exil. Wien: Synema 2009.
Soll man diesen Film als Sittenstudie bezeichnen, als Charakterfilm? Pabst hat vertraute Figuren gezeichnet, sie in einem Mietshaus versammelt, Ladenbesitzer, Bourgeois, Hausangestellte und Hausmeister ... und sie mit einiger Intelligenz aber großer Monotonie vermischt. Im europäischen Kino ist Pabst das Haupt der realistischen Schule. Aber in DU HAUT EN BAS finden wir nicht die Kraft und die menschliche Wahrheit einer FREUDLOSEN GASSE oder des TAGEBUCHS EINER VERLORENEN. Dieser sehr gründliche, von einer Truppe guter Schauspieler dargestellte und sorgfältig umgesetzte Film ist kalt; es ist die grimmige Lektion eines technischen Meisters. [...]
Stärken: Die Qualität einiger Gags, namentlich des Bettlers, den die arme Näherin flickt und der seine Jacke im Hinausgehen zerschneidet, weil man ihm beigebracht hat, Lumpen erregten Mitleid. Jede Figur ist gut getroffen, zum Teil übertrieben, wie die Nymphomanin Paula (Catherine Hessling). Die Regie ist hervorragend, nichts ist mittelmäßig, die Bilder sind schön, die Kulissen ausgefeilt, und doch fesselt der Film nicht. [...]
–x.: Du haut en bas
Cinématographie Française, Nr. 789, 16.12.1933