Nach dem Roman von Stephen King. In den Wintermonaten steht das riesige Overlook-Hotel am Fuß der Rocky Mountains leer und wird von einem Hausmeister gehütet. Für den Job wird der erfolglose Schriftsteller Jack Torrance engagiert. Mit ihm kommen seine Frau Wendy und ihr gemeinsamer 7-jähriger Sohn Danny. Jack erfährt, dass vor Jahren einer seiner Vorgänger den Verstand verloren, seine Familie mit einer Axt erschlagen und sich selbst erschossen hat. Doch Jack will die Einsamkeit nutzen, seinen Roman zu vollenden. Sein Sohn Danny hat das »Shining«: Ihm erscheinen Bilder aus Vergangenheit und Zukunft. In Visionen sieht er einen Blutstrom und zwei tote Mädchen. Danny weiß auch, dass es ein Geheimnis um Zimmer 237 gibt. Während draußen der Winter einbricht und das Hotel von der Außenwelt abgeschnitten wird, zieht Jack sich zurück und arbeitet wie besessen an seinem Manuskript. Langsam ergreifen ihn Wahnsinn und Gewaltphantasien. Schließlich versucht er, Wendy und Danny mit einer Axt zu töten.
– Für den Kinoeinsatz in Europa erstellte Kubrick eine neue Schnittfassung, die etwa 20 Minuten kürzer ist als die ursprüngliche US-Fassung.
Als ich THE SHINING zum erstenmal sah, verliebte ich mich sofort in das Overlook Hotel, in seine verschachtelte Architektur, seine verblichene Eleganz mit Art-deco-Spielereien und wuchtigen amerikanischen Hölzern, in seine grandiose »Colorado Lounge«, in seine endlosen Korridore, in seine altmodische Bar.
Leider kann man nicht hinfahren. Die gesamten Innenräume hat Kubrick in einem Londoner Studio bauen lassen, und es hat wohl noch nie eine Filmdekoration gegeben, die so echt aussah. Die Illusion ist auf perfide Weise vollkommen: das Gefühl von Weiträumigkeit, das den Wunsch erweckt, gemächlich durch diese Pracht zu schlendern. Kubrick hat eine Falle konstruiert: kein »old dark house«, wie man es aus Horrorfilmen kennt, sondern den Traum des anspruchsvollen Reisenden.
Aber das Haus lebt. Aus seinen Mauern quillt ein Meer von Blut. Es ist verletzt worden. Das sieht nur Danny, Jacks kleiner Sohn, der über eine Gabe verfügt, die ein anderer, der sie besitzt, der schwarze Küchenchef des Hotels, »Shining« nennt: das zweite Gesicht, eine Ahnung von Dingen, die kein anderer sieht. Aber dies ist auch kein Film über parapsychologischen Hokuspokus (wie er im Horrorkino der letzten Jahre reichlich vorkommt), keine Fortsetzung etwa von Brian de Palmas CARRIE, der, wie THE SHINING, nach einem Roman von Stephen King entstand. […]
Wenn Jack Torrance (Jack Nicholson) zum erstenmal das Overlook Hotel betritt, weiß man sofort: Dieses Haus hat auf ihn gewartet wie eine gigantische Spinne auf eine Fliege. Es saugt ihn auf. Die fiebrige Imagination des Eindringlings, der bald schon jeden Kontakt zu seiner naiven, nichtsahnenden Frau (Shelley Duvall) und zu seinem hellsichtigen Sohn verliert, füllt es mit Chimären. Im verödeten Ballsaal sieht er, in warmem Licht, tanzende Paare aus den zwanziger Jahren. Der Barkeeper behandelt ihn mit der allerhöflichsten Herablassung, ein Kellner, der aussieht wie der mörderische Hausmeister von einst, tritt auf und redet Jack ein, auch er sollte seine Familie »züchtigen«.
Die Grenzen zwischen Realität und Alptraum sind für den Zuschauer nicht eindeutig zu erkennen. Ihm geht es wie Wendy, Jacks Frau, die hilflos in den Gespensterreigen gerissen wird, nichts versteht und mit zunehmender Panik reagiert. Woher stammen die Würgemale an Dannys Hals? Welches Geheimnis verbirgt sich in Zimmer 237?
Kubrick legt viele falsche Fährten aus, und hinter jedem Schrecken lauert ein weiterer, noch maßloserer. Mit dem Begriff Horrorfilm läßt sich diese »Symphonie des Grauens«, zu beunruhigenden Klängen von Bartók, Penderecki und Ligeti, nicht fassen. Der wirkliche Horror spielt sich in den Köpfen der Figuren ab. Im furchtbarsten Moment des Films fließt kein Blut, verwandelt sich keine schöne nackte Frau in den Armen von Jack in eine widerliche alte Vettel mit Flecken der Verwesung auf dem Körper, zersplittert keine Tür unter den Schlägen einer Axt. Im furchtbarsten Moment des Films entdeckt Wendy, daß ihr Mann monatelang nur einen einzigen kindischen Satz auf der Maschine getippt hat, in endlosen typographischen Variationen: »All work and no play makes Jack a dull boy.« Hunderte von Blättern sind mit diesen zehn Wörtern gefüllt: Chiffren der Auflösung. Kubrick treibt seine Figuren in extreme Situationen. Erst in der »Zone« enthüllt sich ihr innerer Zustand.
Das beschädigte Haus, auf einer alten indianischen Grabstelle erbaut, schon von Beginn an ein Ort geheimen Frevels, empfängt beschädigte Gäste. Erst mit seinem diabolischen Grinsen, mit seinem tierischen Schrei »Heeere Comes Johnny!« (der in zivilisierter Form eine amerikanische Fernseh-Talkshow einleitet), findet Jack Torrance zu sich selber. Die Gewalt, die immer in ihm war, wird herausgefordert durch die Gewalt des Hauses. So findet eine der bizarrsten Vermählungen der Filmgeschichte statt: zwischen einem Mann und einem Gebäude.
Hans C. Blumenberg: Das blutende Haus
Eine ungewöhnliche Kino-Erfahrung
Die Zeit, Nr. 43, 17.10.1980
Events that seem to take place in the present may be re-enactments or simply memories of the past. To take THE SHINING at its face value is a mistake. It has no face, only masks, and it has no value, only implications. THE SHINING belongs firmly in the tradition of “The Turn of the Screw” and “The Beast in the Jungle”. If the setting of the film had been a hotel in Yorkshire or a deserted winter retreat in Maine, the nature of the piece would be even more apparent. […]
The central horror of THE SHINING is family life. For a child there can be few characters more frightening than his angry father. Danny, despite his stoicism, is terrorised by his father. Wendy is terrorised by her violent husband. Jack is frustrated to the point of rejection and violent aggression towards his family. It is a nice picture of American home life.
THE SHINING, the least admired major American film in the past year, is an accidental but none the less effective reworking of KRAMER VS. KRAMER, one of the most admired films of the past year. Both treat the collapsing single child family. Kubrick makes no attempt to deal with this subject from the social point of view. The psychology is dealt with in broad strokes; the characters, with the exception of Danny, are grotesque masks. There are, of course, real people behind the masks, but who they are is like saying what will they become. The three people alone in the overlit Overlook Hotel are similar to the three characters in Sartre’s play, “Huis clos”. They are in the hell of each other. Danny sees his father as an eye-rolling lunatic. Jack sees Wendy as a weak, whining housewife, and Wendy sees nothing. Until the end of the story she seems completely devoid of psychic power. It is almost as if THE SHINING is showing that bright people are more capable of understanding telepathically than less bright people.
The family hierarchy, Dad, Mom and kid, is very strong. The equivalent hierarchy in the Overlook Hotel itself is the idea of the maze in which they are lost, both inside and out. The more intelligent you are the easier it is for you to solve the puzzle of the maze. The only character who can get out of the maze is Danny. Not because of his psychic ability but because of his high intelligence. They seem to go together in Kubrick’s behaviourist view. The maze is not treated in the manner of MARIENBAD. In MARIENBAD the labyrinth of the hotel is a philosophical question. It cannot be solved. It can only be apprehended and interpreted. In THE SHINING the maze is a Sunday morning puzzle, and the most intelligent member of the family will always come up with the correct solution first. […]
Shining denotes the ability to communicate telepathically, to see backwards into the past and forwards into the future. THE SHINING is nothing more nor less than a metaphor for the cinema itself. Film has the shining. Danny is probably the director of the movie. He is certainly identified with the camera. The Steadicam tracking shots through the hotel corridors and then in the maze evoke the exhilaration of a small boy racing about on his tricycle. He imagines himself to be a machine.
In THE SHINING, Kubrick plays with the Steadicam like a toy. It is essentially childlike. He wants to find out all the things he can do with his latest acquisition. Danny’s visions are represented in cuts, in montage, so the boy is not only the camera he is also the movieola. The director-child is seeing his own parents and the world around him. In a way the hotel becomes his doll’s house, like the model in Albee’s “Tiny Alice”, and his father and mother are turned into his neurotic children. If they go crazy from time to time he can still control them with his superior intelligence and visionary ability. Film, after all, is the art of seeing and showing from a fresh point of view. But the boy is not an artist. He is before art, and after it.
Paul Mayersberg: The Overlook Hotel
Sight & Sound, Winter 1980/81