Basierend auf dem Roman des tschechischen Kultautors Bohumil Hrabal. 15 Jahre war Jan Dítě im Gefängnis. Jetzt lässt er sich in einem halb verfallen Haus nieder, das einst Deutschen gehörte, die nach dem Krieg aus der Gegend vertrieben wurden, und blickt auf sein Leben zurück: Als junger Mann schafft er es durch Witz und ein bisschen Tücke, sich vom Würstchenverkäufer bis zum Oberkellner im Hotel Paříž hochzuarbeiten. Dort lernt er viel vom gewandten Skřivánek, der einst den englischen König bediente. Als die Nazis das Land besetzen, verliebt sich Dítě in die regierungstreue Sudetendeutsche Lisa und wird Kellner in einem »Lebensborn«-Hotel, wo er junge blonde Mädchen bedient. Bei einem Bombenangriff stirbt Lisa, als sie eine Kiste mit wertvollen Briefmarken retten will, die sie aus den Häusern jüdischer Deportierter entwendet hat. Jan findet die unversehrte Kiste in den Trümmern und kauft ein Hotel. Endlich am Ziel angekommen, Millionär zu werden, wird er von den nun regierenden Kommunisten enteignet und für jede Million, die er besitzt, ein Jahr ins Gefängnis gesteckt.
Menzel entfaltet einen opulenten Bilderbogen, von dem jedoch kaum etwas anderes bleibt als eine selbstgefällige Satirepose, die in altbackener »Pan Tau«-Slapstick-Manier zelebriert wird. Roland Barthes hat einmal »Schockfotografien« analysiert und dabei festgestellt, dass diese nichts anderes tun, als die Geste des Betroffenmachenwollens plakativ auszustellen. ICH HABE DEN ENGLISCHEN KÖNIG BEDIENT stellt die Geste des kleinbürgerlich-anarchischen Sichlustigmachenwollens aus. Jedes Bild zwinkert schelmisch mit den Augen, jede Szene spreizt die Satire-Ellenbogen, und in den vermeintlich »poetischen« Intermezzi schweben dann Geldscheine symbolträchtig durch die Luft.
Erzählt wird die Geschichte des kleinwüchsigen Kellners Jan Dítě, der ganz groß rauskommen und Millionär werden will. Dieser Dítě (deutsch: »Kind«) ist in seiner Anlage eine schwejksche Schelmenfigur, deren trickreicher, rücksichtsloser und von einem kuriosen Schicksal begünstigter Opportunismus durch kindliche Naivität irgendwie im Unschuldsbereich gehalten werden soll. Weil die Erzählung seiner Dienstbotenperspektive folgt, erscheint die Welt der von ihm Bedienten als ein Panorama skurriler Schießbudenfiguren, in das alle Macht- und Geldleute gleichermaßen eingereiht werden: zuerst die Honoratioren in der tschechischen Provinzgaststätte der frühen dreißiger Jahre, dann die Generäle und Geldsäcke, die in Prags Luxushotel ihre exzessiven Partys feiern, schließlich auch die Nackedei-Blondinen und SS-Offiziere, die sich nach der Okkupation der Tschechoslowakei durch die deutschen Truppen in einem zur arischen »Lebensborn«-Zuchtanstalt umfunktionierten Schlosshotel wie in einem fidelen Bordell vergnügen. Nicht erst an dieser Stelle verweigert man sich einer Erzählperspektive, die unfähig ist, Tragik und Komik, die Hölle des historischen Geschehens und die »Naivität« des Helden in ein substanzielles Verhältnis zu setzen.
In jeder Lebensphase findet der gewitzte Dítě eine karrieredienliche Frau. Zuerst ist das eine kecke Prostituierte. Während der Okkupation verliebt er sich in die sudetendeutsche Lehrerin Liza (Julia Jentsch) und hat dafür überzeugende Gründe: Sie ist ebenso klein, sommersprossig und kindlich-naiv wie er. Dass sie sich für die Hitlerei begeistert und noch beim Beischlaf – quasi als ideologiekonforme Stimulanz – das Führerporträt an der Wand fixiert, stört ihn nicht sonderlich.
Es schmerzt ein wenig, Julia Jentsch, die man als Sophie Scholl noch in eindringlichster Erinnerung hat, hier in solch einer Klamaukrolle zu sehen. Am Kriegsende wird der mittlerweile 15-fache Millionär Dítě vom kommunistischen Regime für 15 Jahre ins Gefängnis gesteckt. Und nach der Haftentlassung zeigt er pflichtschuldig die Einsicht, dass seine Kollaboration mit den Besatzern politisch-moralisch nicht korrekt war. Eine Wendung, die freilich nichts daran ändert, dass man das Interesse an dieser »Schelmen«-Figur längst verloren hat.
Rainer Gansera: Ich habe den englischen König bedient
epd Film, Nr. 8, August 2008
Tatsächlich ist ICH HABE DEN ENGLISCHEN KÖNIG BEDIENT ein ansehnliches Alterswerk, in dem Menzel noch einmal alle thematischen und stilistischen Facetten bündelt, die sein Oeuvre prägten. Es geht ihm um den sprichwörtlichen »kleinen Mann«, der dem Strudel der Zeitläufte ausgesetzt ist, sich anpasst und mitläuft, den eigenen Weg zum Glück sucht, zum Spielball der Politik wird und sie für sich ausnutzt, scheinbar naiv und doch auch wieder gewitzt. […] Roman und Film konterkarieren zwei Legenden, die in Tschechien gern gepflegt werden: Die Mär, dass alle im Grunde genommen doch mit dem braven Soldaten Schwejk verwandt seien, der sich dumm stellt, für nichts Verantwortung übernimmt und unbeschadet alle Eruptionen der Historie übersteht, wird ebenso kritisch hinterfragt wie die Saga vom Tschechen als ewigem Widerständler, der stets subversive Wühlarbeit gegen die jeweils Mächtigen geleistet habe. Dítě ist das alles nicht; seine Überlebensstrategie heißt: Alles sehen, alles hören, nichts sagen und immer, sehr gezielt, an das eigene Fortkommen denken.
Menzel erzählt Dítěs Biografie in Rückblenden, aus der Sicht des alt gewordenen, aus dem »volksdemokratischen« Gefängnis entlassenen Helden. Diese subjektive Perspektive verleiht dem Film einen freundlichen, versöhnlichen Gestus: Dítěs Blick zurück in den Spiegel der Erinnerung ist keiner im Zorn, sondern eher einer in weichen, nostalgischen Farben. Mitunter allerdings gibt es heftige Brüche: Wenn Dítě mit einem Lächeln zusieht, wie jüdische Mitbürger und Vorgesetzte verschwinden, wenn er seinen Arm zum Hitlergruß hebt oder, nunmehr als Hoteldirektor, zuerst einem Objekt der SS-Fortpflanzungseinrichtung »Lebensborn« vorsteht und dann einer Erholungsstätte für Kriegsinvalide, sind das Widerhaken, die durchaus schmerzen. Stark und unerwartet ist die Szene, in der Dítě einem alten Bekannten, der ins KZ deportiert wird, Brot durch die vergitterte Tür eines Güterwagens zu reichen versucht. Die Rahmenhandlung spielt dann in einer Gegend, die ursprünglich von Deutschen bewohnt war; nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Bevölkerung vertrieben, das Dorf steht weitgehend leer: ein Raum sowohl der Geschichte als auch des Neuanfangs. Wie in früheren Arbeiten, zum Beispiel DIE WUNDERBAREN MÄNNER MIT DER KURBEL (1978), jongliert Menzel lustvoll mit formalen Zitaten aus der Filmhistorie. Das beginnt schon mit dem ersten Bild, in dem er die vom Stummfilm überlieferte Kreisblende einsetzt, die den Blick auf einen roten Stern freigibt. Die frühesten Reminiszenzen Dítěs werden ohne Dialoge, dafür mit Klavierbegleitung, in Schwarzweiß und Slapstickmanier erzählt. Später lässt die Choreografie der Hotelangestellten und -gäste, die sich nach Jazzklängen bewegen, an Revuen der frühen Tonfilmzeit denken. Das opulente Interieur, die Darstellerführung und Farbgebung der Szene, in der ein äthiopischer Herrscher in Dítěs Hotel diniert, sieht aus wie ein Zitat aus Fellinis AMARCORD. Der Darsteller des jungen Dítě, der Bulgare Ivan Barnev, erinnert an Chaplin, aber auch an Václav Neckár, den Hauptdarsteller aus LIEBE NACH FAHRPLAN. Und wie in jenem Menzelschen Klassiker, so werden auch hier weibliche Verführungskünste und die Erotik des Essens genussvoll zelebriert. Insgesamt wirkt ICH HABE DEN ENGLISCHEN KÖNIG BEDIENT wie der schöne, vielleicht etwas altväterliche Abschluss eines meisterlichen Lebenswerks: zärtliche Farce mit bissigen Untertönen, skurrile Zeitreise, sinnliches Vergnügen.
Ralf Schenk: Ich habe den englischen König bedient
Film-Dienst, Nr. 17, 14.8.2008