Nach dem Bestseller von Vicki Baum, diesmal versetzt ins Deutschland der Wirtschaftswunder-Zeit. Im berliner Grand Hotel ist der smarte Baron von Gaigern abgestiegen, der sich als Spieler und Gauner betätigt. Als er in die Suite der schwermütigen russischen Ballerina Grusinskaya einbricht, um ihren Schmuck zu stehlen, verhindert er, dass sie sich mit Gift das Leben nimmt. Anschließend verbringen sie die Nacht zusammen. Gleichzeitig versucht der skrupellose Generaldirektor Preysing mit gefälschten Bilanzen Investoren zu einem Vertragsabschluss zu bewegen. Preysings rechtschaffener Oberbuchhalter Karl Kringelein, der die Manipulationen bemerkt hat, reist seinem Chef nach, um Schlimmeres zu verhindern, wird von Preysing jedoch rüde abgewiesen. Kringelein freundet sich mit von Gaigern an und erzählt ihm von dem Betrug. Daraufhin versucht von Gaigern, der dringend Geld braucht, Preysing zu erpressen. Die Stenotypistin Fräulein Flamm, genannt Flämmchen, wird Zeugin der darauf folgenden tödlichen Konfrontation.
– Weitere Stoffverfilmungen entstanden 1932 (siehe S. XXX) und 1945 (als WEEK-END AT THE WALDORF).
Wäre die Kameraführung Göran Strindbergs (SIE TANZTE NUR EINEN SOMMER, DIE RATTEN) ein wenig einfallsreicher gewesen – es genügt nicht, gelegentlich einmal die schreitenden Füße zu photographieren und sich im übrigen mit banalster Routine zu behelfen –, hätte sich die Regie dazu entschließen können, nicht immer alles bis zum Überdruß auszuwalzen, allzu deutlich und allzu dick zu sagen, dann wäre gewiß ein glänzender Spielfilm entstanden. So blieb es bei der Perfektion des Mittelmaßes, der Apotheose des Eindeutigen. Nie kam es zur geistvollen Andeutung, sondern immer bloß zum publikumssicheren (das Remake wird gewiß ein Kassenschlager!) Holzhammer. Alles lähmend überdeutlich und doch noch nicht erfrischend karikiert. Ein deutscher Film …
Warum muß denn der arme Heinz Rühmann seine Spießigkeit gleich so übertreiben, sich vom Trinkgeld etwas herausgeben lassen und andererseits wieder seinem Chef Dinge ins Gesicht schleudern, die er gewiß kaum wagen würde, wenn der Film nicht unterschlüge, daß der Prokurist ein Todeskandidat ist? Rühmann hatte seine besten Momente dann, wenn er nicht zu jenem platt und grob charakterisierenden Text gezwungen war, wenn er stumm spielen, zum Portier gehen, lächeln durfte. Da das Drehbuch zum erhabenen Kitsch neigte (»Ich lache über mich, weil ich zu erwachsen bin, über mich zu weinen«), die Regie und die Kamera beinahe jedes Abenteuer mieden, bleiben einzig die individuellen schauspielerischen Leistungen übrig.
Man merkte es Michèle Morgan an, daß der Schatten Greta Garbos, die aus der Rolle einen ihrer Welterfolge gemacht hatte, auf sie fiel. Michèle Morgan wirkte oft befangen, in der Hysterie nicht glaubhaft, allzu kontrolliert und darum blaß. O.W. Fischer hingegen spielte die Eleganz des adligen Hoteldiebes so breit aus, daß man ihm den Hochstapler eigentlich auf den ersten Blick ansah. Wer sich so namenlos vornehm gibt, kann es nicht wirklich sein …
Sonja Ziemann wagte in der Rolle des Flämmchens viel. Sie legte mit dem deftigen Gert Fröbe eine Schlafzimmerszene hin, wie sie der deutsche Film in solcher Drastik selten riskiert. Die Szene war möglicherweise realistisch, aber bestimmt ein wenig widerlich. Offenbar stört die Selbstkontrolle nur der Vollzug des Verbotenen, und sonst gar nichts.* Wenn je aus einem künstlerischen Film eine notwendig gewagte Passage herausgenommen wird, dann kann hinfort jeder Anti-Kontrolleur auf diese – übrigens nicht unwitzig gemachte – Flämmchen-Fröbe-Liaison hinweisen. Die Gerechtigkeit gebietet übrigens zu bemerken, daß Fröbes Vitalität einige der fesselndsten, ja virtuosen Sequenzen des Films zu danken waren. Eine solche Mischung aus Bonhomie, Brutalität und Seelenkakao wird man so leicht nicht finden.
Ins übrigen war es ein Rühmann-Film. Das goldene Herz des Altmeisters durfte so intensiv leuchten, daß man mitunter blinzeln mußte. Dafür, daß die Rolle dramaturgisch ein wenig verkorkst war, kann der große Schauspieler ja nichts.
Joachim Kaiser: Grand Hotel mit neuen Gästen
Münchner »Hollywood-Premiere« des Films »Menschen im Hotel«
Süddeutsche Zeitung, 25.9.1959
* Anm. : In der Tat störte die FSK die Szene, in der Flämmchen (Ziemann) die Strümpfe auszieht. Der Arbeitsausschuss verlangte am 17.7.1959 für Freigabe des Films ab 16 Kürzung der Szene um zwei Drittel und Streichung des Satzes von Preysing (Fröbe): »Ich habe das gern – Strümpfe.« Am 19.8. lehnte der Hauptausschuss den Einspruch der Produktionsfirma ab, daraufhin wurde der Film ab 18 freigegeben.
Der alte Film MENSCHEN IM HOTEL war nicht nur etwas Schönes und Unvergeßliches, sondern etwas ganz Rätselhaftes: wie hatten diese paar sehr talentierten Menschen, Vicki Baum, Greta Garbo, die beiden Barrymore, Joan Crawford und so weiter, diese wirkliche Elegie des Menschenlebens nur zustande gebracht …
Gewiß, man soll gegenwärtige, ganz gute Leistungen nicht entwerten, indem man sie an einer vergangenen Meisterleistung mißt. Aber wenn einer alles Wesentliche verfehlt, alles mißverstanden hat, ja kaum wohl Zeit hatte in der Hetze des Betriebes, es ordentlich zu lesen, es sich ordentlich anzuschauen und zurechtzulegen, wie hier offenbar Gottfried Reinhardt, der Sohn des großen Max Reinhardt: so soll man ihm die Zähne zeigen, so soll man mit der Faust auf den Tisch hauen und ihm fluchen.
Haben er und seine Helfer, Herr Hans Jacoby, Herr Ladislaus Fodor, von dem man Feineres erwartet hätte, nicht bemerkt, daß etwas Imponderables in dem Stoff lag: daß eine Leiche im Hinterhof weggekarrt wurde und ein Kindlein geboren ward? Daß ein Todgeweihter ein schönes, schickes, leichtsinniges Mädchen für sich gewann – nicht um eine dumme kleinbürgerliche Ehe zu inszenieren, sondern um das Leben doch noch einmal zu wagen?
Man kann eine Sache besser oder schlechter machen. Aber man kann doch nicht eine ganze Stufe der Entwicklung herabsteigen. Nicht die größere oder geringere Brillanz – die echte Primitivisierung ist hier das Problem.
Wir wollen Michèle Morgan ausnehmen. Sie ist ja eine wundervolle Schauspielerin – und wenn sie nicht so wundervoll herauskam wie einst Greta Garbo in ihrer besten Rolle, so ist es vor allem die Schuld des Kameramanns und des Regisseurs: man sieht noch die Garbo königlich durch die Marmorhalle des Hotels fegen, gefolgt von der ganzen Entourage von Impresarios, Agenten, ihrem Ballettlehrer, ihrem Klavierspieler …
Nein, nur eine ärmliche Garderobiere ist nun an ihrer Seite. O.W. Fischer, gewiß ein Schauspieler von Rang, kann nicht dieselbe Seligkeit in ihr wecken wie der große John Barrymore: einfach, weil er das alles nicht in sich faßt: Schönheit, Glanz, Verführung, Glück bei Frauen, Pech im Leben und – den Tod.
Und Heinz Rühmann, dem man den leisen Heiligenschein des todgeweihten Kringelein ganz und gar unsinnig genommen hat, kann dann natürlich nicht mehr das spielen, was der größte Schauspieler der Epoche, Lionel Barrymore, gespielt hat, nämlich einen komischen, sterbenden Helden, der in Seligkeit endet. Und Sonja Ziemann glaubt man wohl die Sehnsucht nach einem geordneten Eheleben – aber nichts mehr als das. Sogar Technik, Kameraarbeit, Schnitt folgen dem allgemeinen Abstieg.
Wir wollen zusammenfassen: um einen großen Film zu wiederholen, muß man ihn sich erstens genau ansehen, zweitens das Buch halbwegs genau lesen. Beides haben der Regisseur und die Librettisten leider versäumt.
Willy Haas: Wenn man alles mißverstanden hat
Die neuen »Menschen im Hotel«
Die Welt, 19.10.1959