Im Kurort Badenau ist das Hotel Hövelmann eines der ersten Häuser am Platz. Der alte Oberkellner Karl ist seit vierzig Jahren dort beschäftigt und so etwas wie die Seele des Hauses. Für Niddy, die 17-jährige Tochter der Hotelbesitzerin, ist er wie ein Vater. Als die Mutter stirbt, überträgt die Familie die Geschäftsführung dem hinterlistigen Alwin. Der will Niddy dazu bringen, ihn zu heiraten, und sie lässt sich von ihm tatsächlich den Kopf verdrehen, obwohl sie eigentlich den jungen Kellner Helmuth, genannt Helle, liebt. Alwin entlässt auch den missliebigen Karl aus seiner Stellung als Oberkellner und versetzt ihn auf den Posten in der Herrentoilette. Dort entdeckt ihn ein wohlhabender Stammgast des Hauses. Als er erfährt, was geschehen ist, kauft er kurzerhand das Hotel und macht Karl zum neuen Direktor. So kann dieser gerade noch rechtzeitig die Hochzeit zwischen Alwin und Niddy verhindern und Niddy und Helle wieder zusammenbringen.
Sicherlich hätte Harald Braun besser daran getan, bereits durch einen anderen Titel auf den gänzlichen Neubau des alten Stoffes hinzuweisen. Zweifellos wäre ihm dadurch manches vernichtende Kritikerwort beim – völlig indiskutablen – Vergleich mit dem gleichnamigen berühmten Stummfilmwerk erspart geblieben. Denn was dort im sinnvoll verzahnten psychologischen und realen Geschehen als notwendige, tragisch-menschliche Läuterung erschütternd überzeugte, ist hier zum rein zufallsbedingten, sentimentalisch anrührenden, unglaubwürdigen bloßen Handlungseffekt geworden, Dazu werden die charakterliche Zeichnung und die Herausstellung der Zentralgestalt durch simpelste Verbrämung mit allerhand Liebeslust und -leid rosarot vernebelt. Aber mehr als ein publikumswirksames, braves Filmmärchen im Salonstil bewährter Konfektion hat Harald Braun wohl – hoffentlich – hier auch nicht schaffen wollen. Fast ungewollt komisch wirkt dabei sein ängstliches Bemühen, nur ja das Wörtchen »Clo« oder auch nur »Herrentoilette« zu vermeiden und immer wieder mit »Waschraum« und »sanitären Einrichtungen« steif-vornehm drumherum zu manöverieren.
Gobo: Der letzte Mann
Harald Brauns Neuverfilmung mit Hans Albers
Welt der Arbeit (Recklinghausen), 2.12.1955
Der Regisseur der NACHTWACHE und des LETZTEN SOMMERS unternahm hier den Versuch, die vermutlich publikumswirksame Story des einstigen Murnau-Films auf die Wirtschaftswunder-Stromlinie des Jahres 1955 zu bringen. Schon am äußeren Rahmen wird die Verschiebung der Blickpunkte merkbar: fast alle Szenen spielen hier im »Badenauer« Kurhotel, dessen blitzender Komfort reichlich Gelegenheit gibt zu zeigen, wie weit wir es bereits wieder gebracht haben; die einzige Präokkupation der schwerreichen Gäste besteht anscheinend darin, lässig vom Luxus-Kabriolet ins Luxus-Appartement hinüberzuwechseln. […]
Doch vor allem hat man natürlich dem Inhalt eine gedeihsame Umformung zukommen lassen. Undenkbar, daß Albers, der blonde Bonvivant, hier mehr denn je überlegene Grandezza entfaltend, etwa zu einer Art negativem Helden würde, wie es dem Murnauschen Original entsprochen hätte. So ist bei Harald Braun eigentlich schon von Anfang an alles vorgezeichnet. Die Degradierung des ehrwürdigen Chefkellners zum Toilettenmann durch die böswilligen Neubesitzer ist nur ein vorübergehendes Martyrium, dezent in Szene gesetzt, und nachdem allerseits reichlich Tränen vergossen worden sind, tritt als Deus ex Machina ein edelgesinnter Millionär auf, der sich kurzerhand der Hotelanteile bemächtigt und unseren Märtyrer verdientermaßen zum geschäftsführenden Direktor erhebt. […]
Bemerkenswert ist die Einfalt des Drehbuches. Die Gestalt des feurig-idealistischen Volontärs ist ebenso konventionell und an den Haaren herbeigezogen wie die des frisch-genesenen Millionärswohltäters oder des skrupellosen, porschefahrenden Juniorchefs. Albers selbst schließlich, unerschütterlich sieghaft, ist die Inkarnation des Autoritäts-Mythos, wie er im deutschen Nachkriegsfilm sein nebuloses Wesen treibt. Güte, Milde und Sicherheit ausstrahlend, vermag er auf Grund rätselhafter geheimer Fähigkeiten stets alles im rechten Moment zum Guten zu kehren, sofern man sich seiner strengen, aber (selbstredend) gerechten Disziplin nur folgsam unterordnet.
Was Harald Braun hier aus dem ursprünglichen Stoff gemacht hat, ist recht fatal. Alle sozialkritischen oder bitter-satirischen Akzente wurden sorgfältig eliminiert, um dem Filmkonsumenten von heute eine aller beunruhigenden Untertöne entkleidete, chemisch gereinigte Unterhaltungsware vorzusetzen, in der auch die Episode der Erniedrigung (und hier finden sich noch die einzigen halbwegs gelungenen Szenen des Films) nur einen Übergang zum schließlichen und endlichen Triumph der guten Gefühle bedeutet. Dezente Dialoge, eine alle Aufgeregtheiten vermeidende Kameraführung, kultivierte Dekors und »gepflegte« Umgangsformen sollen hier wieder einmal dem Bundesbürger suggerieren, daß in unserer Welt alles in Ordnung sei. Mit welch falscher Selbstzufriedenheit ist doch diese behaglich dahinplätschernde »Badenauer« Kuridyllik gezeichnet! Und merkt niemand den Schwindel …?
Ulrich Gregor: Der letzte Mann
Triumph des Sentiments in einem neuen Film von Harald Braun
Filmforum, 3.12.1955