Der Poet Petr Hudec wird in einem Hotel ermordet, der oder die Täter nie gefunden. Anhand seiner tagebuchartigen Notizen, die er in den Tagen vor seinem Tod geschrieben hat, werden die Ereignisse rekonstruiert: Hudec kommt in das Hotel Svet (Welt), wo er Veronika, seine Geliebte, treffen will. Anstatt Veronika begegnet er der älteren Dame Rosická, auch Gast im Hotel, die den jungen Mann sogleich in Beschlag nimmt. Die Angestellten zeigen Hudec gegenüber eine seltsame Arroganz und Intimität. Am nächsten Tag findet er endlich Veronika, doch sie benimmt sich gleichsam abweisend und verführerisch. Offen flirtet sie mit den männlichen Hotelangestellten. Hudec wird zunehmend unwirsch aufgrund ihres Verhaltens und des Benehmens des Personals und will schließlich das Hotel verlassen, doch da wird er erstochen.
Leben und Tod, Momente der Lust, Marter und Qualen der Liebe, Hoffnung und Enttäuschung, Heiterkeit und Nostalgie, Jugend und Alter, Leichtsinn und tödlicher Ernst, Kunst zu leben und das Leben zu genießen oder Hang zum Aufgeben und Passivität – alle diese Linien, die sich parallel durch das menschliche Leben ziehen, präsentiert Máša in Gestalt seiner Hauptfiguren auf der Leinwand. Sie sind der »dramatische Ansporn« für die Handlung – Nicht-Handlung, die uns einige sonderbare Individuen vorführen, welche im Sommer in einem Hotel auf dem Land mit dem symbolischen Namen Welt plötzlich aufeinandertreffen. Man kann diese Figuren nicht wirklich charakterisieren, weil es nur filmische Schatten sind, die von der Fantasie des Autors geschaffen und nur durch Projektion auf die Filmleinwand materialisiert wurden. Es ist zwecklos, sie nach dem Schlüssel der »Widerspiegelung des Lebens« sortieren oder sie in einen Zusammenhang mit der Wirklichkeit bringen zu wollen. Den gibt es hier nicht, genauso wie es ihn nicht gibt in Jan Němecs MUČEDNÍCI LÁSKY (Märtyrer der Liebe), in Věra Chytilovás SEDMIKRÁSKY (Tausendschönchen) oder in den Filmen von Pavel Juráček. Wenn man eine Verbindung zur Wirklichkeit sucht, findet man sie auf der Ebene der Gefühle, der emotional-poetischen, auf der man die Spielregeln verstehen und sich auf sie einstimmen kann, ansonsten wird einem die Botschaft des Filmautors entgehen.
G. Kopaněvová: Iskriaci svet fantazie
Film a divadlo (Prag), 28.3.1967
HOTEL PRO CIZINCE, von der Idee über das Drehbuch bis zur Regie ganz und gar ein Werk von Antonín Máša, entführt uns in eine etwas andere Welt. Mit den meisten Filmen der »neuen Welle« verbindet ihn die technische Perfektion. Ein weiterer gemeinsamer Zug besteht darin, dass auch dieser Film von dem Wichtigsten handelt, von den grundlegenden menschlichen Eigenschaften. Diesmal jedoch können wir uns völlig von den »unglücklichen Funktionären« erholen. Wir sehen eine unverhohlen romantische, burleske, überraschende und ironisch niedliche Geschichte. Die Stilisierung des Films in die Ebene des Jugendstils macht es möglich, ungesehene und unerhörte Dinge vorzuführen und mit einem eigenartigen Humor auf pittoresken Details haften zu bleiben. Die Geschichte eines Dichters, der die wahre Liebe suchte und nicht fand und schließlich in einem seltsamen Hotel ermordet wurde, weckt Erinnerungen an den Namen Franz Kafka.
P. Švanda: Hotel pro cizince, a proč ne?
Rovnost (Brno), 1.4.1967
In Mášas HOTEL FÜR AUSLÄNDER wird die allegorische Tendenz, die man aus vielen anderen tschechoslowakischen Filmen kennt, sozusagen auf die Spitze getrieben: In einem Hotel sind seltsame Personen zu Gast, die einem Alptraum entstammen könnten: tyrannische, blutsaugerische Kellner und Bedienstete, ein dämonischer Priester (Evald Schorm), eine exzentrische, alte Sängerin, ein junges Mädchen, das der Protagonist lieben möchte, aber nicht kann.
Er steht völlig allein in einer abgeschlossenen Welt, die von merkwürdigen Schreckgespenstern und zwielichtigen Figuren bevölkert ist. Auch über dem plötzlichen Tod des Protagonisten schwebt ein Zwielicht, denn dieser Tod wird nicht aufgeklärt. Aus der vermutlich politisch-ideologischen Allegorie, die dem Professor vorschwebte, die allerdings hinter einem Rankenwerk barocker Ausschmückungen verborgen ist, bricht Máša jedoch immer wieder aus, indem er die Handlung seines Films durch ironische Zwischentitel in Stummfilm-Manier unterbricht. Insgesamt möchte man HOTEL FÜR AUSLÄNDER als ein interessantes Vexierspiel bezeichnen, das für die gegenwärtigen Tendenzen im tschechischen Film und Theater bezeichnend ist und über das nachzudenken sich lohnt.
Ulrich Gregor: Die Filmfestspiele in Cannes – Werke von Robert Hossein, Elio Petri und Leopold Torre-Nilsson
Die Welt, 6.5.1967
Fin de siècle und schöne Bilder, noch einmal dies ist auch das Signum für den tschechoslowakischen Film HOTEL PRO CIZINCE (Hotel für Fremde) von Antonín Máša. Aber Masa mag sich in schöne Einstellungen und kostbare Intérieurs verlieben, er mag geradezu schwelgen in Lyrismus und poetischen Allegorien. Erinnerungen an Cocteau stellen sich ein: der Dichter Peter Hudec, der Protagonist des Films, bemüht sich wenigstens, anders als die Liebenden Widerbergs [in ELVIRA MADIGAN], um Einordnung in die Gesellschaft. Dazu zählt seine romantische Liebe zu Veronika, die ihm immer wieder entgleitet. Als sie ihm endlich gehören will, als sich ihm mit ihr die Aussöhnung mit der Gesellschaft, der Hotelbewohner und des Hotelpersonals anbietet, hat Hudec schon resigniert. Er wird in seinem Zimmer ermordet, als alle andern ein Fest feiern, von dem er sich schon ausgeschlossen hat. Durch alle Einkleidungen, Verstellungen, Symbolismen, Anlehnungen an MARIENBAD, Kafkaismen und poetischen Untertreibungen hindurch zeichnet sich der Film von Máša aus als Parabel auf eine Sozietät, die den Außenseiter nicht akzeptiert oder seine Bereitschaft zur Anpassung überfordert. Ein im Grunde eminent politischer Film.
Peter W. Jansen: Filmfestspiele in Cannes
Neue Zürcher Zeitung, 6.5.1967