Louis Adlon jr., Enkel des Gründers des legendären Grandhotels in Berlin, genießt das Leben in Amerika. Bis auf wenige Besuche bei seinem Vater bindet ihn kaum etwas an das Haus, in dem er aufwuchs. Doch 1945 schickt ihn sein Schwiegervater, der Zeitungsmogul William Randolph Hearst, als Korrespondent für Klatschgeschichten nach Berlin, wo er sein Elternhaus ebenso wie den größten Teil der Stadt in Ruinen vorfindet. Überwältigt von der Zerstörung beginnt er zu schreiben und verfasst Zeitungsartikel, in denen er anhand von Erinnerungen das Schicksal des Hauses, aber auch das seiner Familie aus einer persönlichen Sicht erzählt und verarbeitet.
Geschichte wird gemacht, heißt es salopp. Doch kann man sie auch nachmachen, ihr vielleicht sogar in die Seele schauen? Der Filmemacher Percy Adlon präsentierte seine Beobachtungen IN DER GLANZVOLLEN WELT DES HOTAL ADLON nicht als abstraktes Symbol für das versunkene wilhelminische Großdeutschland, sondern als faszinierende Hommage aus der Tagebuchperspektive seines Großvaters Louis Adlon jr. Schon 1955 inspirierte das »Adlon« den Drehbuchautor Johannes Mario Simmel zu einem unterhaltsamen Zeitdrama [Regie: Josef von Báky]. Die Adlons waren damals jedoch nicht amüsiert über die kolportagehafte Handlung. Percy Adlon, der Enkel des Hoteliers, verwandelt das feinste Parkett der preußischen Vorkriegsgesellschaft nun in eine prallgefüllte Dachbodenkammer der Erinnerungen, in der er die Anekdoten, Ereignisse und Zeitbilder auskramt. […]
Adlons filmische Metapher der Erinnerung und Phantasie illustriert seine dokumentarische Suche nach der verlorenen Zeit: feines Bürgertum, diskrete Modernität, Eleganz – und schließlich 1945 das Ende als ausgebranntes Kriegslazarett. Die Namen nobler Gäste von Kaiser Wilhelm II. bis Albert Einstein verschmolzen mit den Interieurs zu nostalgischen Symbolen. Rechtzeitig zur bevorstehenden Wiedereröffnung des Hotels im April restauriert Adlon die Legende mit den Mitteln des Glamourkinos. Was der sprunghaften Erzählung an Fakten fehlt, das gleicht sie durch die einfühlsame Wiedergabe eines anachronistischen Lebensgefühls aus: Noblesse. Das ist der abgehobene, aber diskrete Charme der Bourgeoisie oder »Adlon oblige«.
D.D.: Kritisch gesehen
Glanzvolle Welt des Hotels Adlon
Stuttgarter Zeitung, 3.1.1997
Eine Hotelgeschichte? Auch. Die Tragödie eines Menschen? Auch. Zeithistorie? Auch. Wenn es eine Fernseh-Dokumentation in Kinoqualität gibt, dann hat Percy Adlon sie geschaffen. […] So elegant jenes Hotel war, so elegant ist Adlons Film. Die Facetten jener Welt und Scheinwelt treten leichtfüßig und unaufdringlich hervor, die Photos, das stumme Filmmaterial, die Erzählungen der Gäste und Angestellten fügen sich harmonisch mit Spielszenen aus Hotel-Historie und Adlons Biographie. Leuchtend, vielleicht zu leuchtend ist die »glanzvolle Welt des Hotel Adlon« ausgemalt.
Joachim Huber: Von großer Eleganz
Der Tagesspiegel, 3.1.1997