Basierend auf der Novelle von Arthur Schnitzler. Else verbringt mit ihrem Cousin sorgenfreie Ferien in einem Hotel in St. Moritz, während ihr Vater mit großen Geldsorgen kämpft. Er hat das Vermögen seiner Mandanten an der Börse verzockt und versucht verzweifelt, sich Geld zu leihen, um dem Ruin und dem Gefängnis zu entgehen. Seine einzige Hoffnung ist der Kunsthändler von Dorsday, der zufällig im selben Hotel wie Else Urlaub macht. Ihre Mutter fleht sie inständig an, von Dorsday um das Geld zu bitten. Else, die den Kunsthändler unangenehm findet, ringt sich schließlich durch, die Bitte vorzubringen. Von Dorsday ist bereit, die Summe zur Verfügung zu stellen, verlangt dafür aber, Else nackt zu sehen. Else sieht keinen Ausweg, als Gift zu nehmen und nur mit einem Pelz bekleidet vor von Dorsday zu treten. In der Hotelhalle findet sie ihn, lässt den Pelz fallen und stürzt gleichzeitig tot zu Boden.
Am Anfang und am Ende dieses Werkes steht Elisabeth Bergner; ein Starfilm sollte es werden, aber keiner der gewöhntlichen Art, nicht so aufdringlich und stattdessen mehr gekonnt, kurz ein Werk, das der Besonderheit, fast möchte man sagen Einzigartigkeit der Bergner gerecht wird. Und dieses Ziel ist denn auch weitgehendst erreicht. Die Bergner als »Fräulein Else« (nach der Novelle von Arthur Schnitzler) entzückt wieder durch die Musikalität ihres Wesens, durch das wunderbar Natürliche und zugleich Verhaltene ihres Spiels, kurz durch jene mimosenhaft zartbesaitete Note ihrer Persönlichkeit, die sie zum Liebling von ganz Berlin gemacht hat. Überdies ist sie uns im Film noch nicht so vertraut, daß gewisse Wiederholungen stören könnten, der Filmbesucher wird auch nicht jene leise Maniriertheit bemerken, die dem Theaterbesucher jedenfalls langsam auffällt, der die Bergner in den meisten ihrer Rollen sah. Kurz, es bleibt wieder ein ungetrübter Genuß, dieses grazile, fast ein wenig ätherische Persönchen mit dem wundervollen Rhythmus ihrer Bewegungen zu sehen.
Fritz Olimsky: Fräulein Else
Berliner Börsen-Zeitung, 8.3.1929
Der Verzicht auf alle geräuschvollen, theatralischen Effekte führt Czinner dazu, mit leisen, dramatischen Mitteln seine Wirkungen zu suchen. Er beherrscht das Register der Retardierungen: es ist ausgezeichnet gemacht, wie die Bergner nicht wagt, den brutalen Burschen anzusprechen, wie sie hinter ihm herläuft, sich abwendet, wieder herankommt, hinter einem Pfeiler verschwindet, wieder ein paar Schritte vor – bis das endliche Zusammentreffen fast wie eine dramatische Erlösung wirkt. Mit den gleichen Mitteln inszeniert Czinner den Schluß, wenn die Bergner in das Zimmer des Kunsthändlers geht, ihn nicht findet, ihn verfolgt – während schon das Gift ihre Lebenskräfte vernichtet.
Czinner hat das Manuskript mit eindringlicher Starrheit für Elisabeth Bergner geschrieben, wie er sie auffaßt. Sie ist für ihn die große Gestalterin seelischer Zwischentöne, zart vorüberfliegender geistiger Feinheit, ein Mensch, der mit seltener Kunst sein Inneres ganz zum Ausdruck bringt. Zweifellos ist das die Stärke der Bergner, aber mit dieser Kunst allein sind die Voraussetzungen für einen wirksamen Film nicht gegeben. Filmwirkung ist dramatische Wirkung mit optischen Mitteln: und was die Bergner braucht, ist vor allem der starke, festgefügte dramatische Rahmen, in den sie sich einfügen kann, der die Möglichkeiten für ihr Können hergibt, und gleichzeitig den Zuschauer in das Gefüge einer zu Herzen gehenden Handlung einspannt.
Rudolf Kurtz: Fräulein Else
Lichtbild-Bühne, Nr. 57, 8.3.1919
Der Verzicht auf alle geräuschvollen, theatralischen Effekte führt Czinner dazu, mit leisen, dramatischen Mitteln seine Wirkungen zu suchen. Er beherrscht das Register der Retardierungen: es ist ausgezeichnet gemacht, wie die Bergner nicht wagt, den brutalen Burschen anzusprechen, wie sie hinter ihm herläuft, sich abwendet, wieder herankommt, hinter einem Pfeiler verschwindet, wieder ein paar Schritte vor – bis das endliche Zusammentreffen fast wie eine dramatische Erlösung wirkt. Mit den gleichen Mitteln inszeniert Czinner den Schluß, wenn die Bergner in das Zimmer des Kunsthändlers geht, ihn nicht findet, ihn verfolgt – während schon das Gift ihre Lebenskräfte vernichtet.
Czinner hat das Manuskript mit eindringlicher Starrheit für Elisabeth Bergner geschrieben, wie er sie auffaßt. Sie ist für ihn die große Gestalterin seelischer Zwischentöne, zart vorüberfliegender geistiger Feinheit, ein Mensch, der mit seltener Kunst sein Inneres ganz zum Ausdruck bringt. Zweifellos ist das die Stärke der Bergner, aber mit dieser Kunst allein sind die Voraussetzungen für einen wirksamen Film nicht gegeben. Filmwirkung ist dramatische Wirkung mit optischen Mitteln: und was die Bergner braucht, ist vor allem der starke, festgefügte dramatische Rahmen, in den sie sich einfügen kann, der die Möglichkeiten für ihr Können hergibt, und gleichzeitig den Zuschauer in das Gefüge einer zu Herzen gehenden Handlung einspannt.
Rudolf Kurtz: Fräulein Else
Lichtbild-Bühne, Nr. 57, 8.3.1919
Schnitzlers bedeutende Novelle FRÄULEIN ELSE hat die Unterlage für diesen Film abgegeben. Freilich, Paul Czinner hat nur Motive der Dichtung benutzt. Hätte er sich doch genauer an den Text gehalten, statt die Handlung mehr oder weniger frei zu übernehmen! Die Novelle nämlich ist ein einziger INNERER MONOLOG, und die Gestaltung des inneren Monologs wäre auch im Film von größter Wirkung gewesen. Alles erscheint bei Schnitzler von Fräulein Else aus gesehen: Vater, Mutter, die Freunde, das Hotel und der Mann, um dessentwillen sie sich vergiftet. In den Schleier ihrer einsamen Assoziationen sind die Figuren gewirkt, vergrößern sich ihr, bringen Gefahr. Weder Menschen noch Gegenstände treten in der Novelle auf, wie sie sind, sondern ragen nur stückweise in die Erzählung hinein, so stückweise, wie sie dem Geist des Mädchens sich bieten. Die Psychologie wird hier von Schnitzler zu Ende gebracht; sie löst die Dinge auf und führt sich derart selbst ad absurdum …
Czinner hat die Möglichkeit nicht gesehen oder nicht sehen wollen, die sich aus der Vorlage für den Film ergab. Statt die Handlung aus der Perspektive Fräulein Elses aufzubauen, hat er einen normalen Gesellschaftsfilm gedreht, in dem auch Fräulein Else vorkommt. Damit verliert aber das Geschehen seinen Sinn, und es bleibt eine ziemlich schale Verkettung von Ereignissen übrig, die eines großen Aufwands nicht bedurft hätte. Zudem hat Czinner alles getan, um die Bedingungen vergessen zu machen, unter denen Fräulein Else bei Schnitzler steht und aus denen allein ihr Handeln begreiflich wird. Er zeigt sie nicht etwa als ein Mädchen, dem das Gemisch von Unschuld und Reflexion zuzutrauen wäre, sondern setzt sie mitten in die sportfrohe Nachkriegswelt hinein. Kein heute in St. Moritz betriebener Sport wird uns unterschlagen, und Fräulein Else ist überall mit einer unbedenklichen Jugendlichkeit dabei, die zu ihrem Urbild so wenig wie zu ihrem späteren Verhalten paßt.
Aus der verkehrten Regie-Einstellung schreiben sich die übrigen Fehler Czinners her: Da er die Assoziationen Fräulein Elses unbenutzt läßt, gerät ihm die Handlung zu mager. Was tut er also? Er füllt sie einfach mechanisch auf. Wir sind die unfreiwilligen Zeugen der ganzen Bahnfahrt von Wien nach St. Moritz und werden mit wenig erwünschter Ausführlichkeit in das Leben und Treiben im Luxushotel verwickelt. Das alles ist überflüssig, wenn es auch routiniert gemacht ist. Zudem besteht es völlig aus sich, während es doch nur von dem Mädchen aus Leben haben sollte.
Raca. [= Siegfried Kracauer]: Fräulein Else
Frankfurter Zeitung (Stadt-Blatt), 14.4.1929