Deadlock
Psychedelischer Gangsterfilm mit Westernelementen. Charles Dump lebt allein mit der alten Hure Corinna und deren geistig zurückgebliebener Tochter Jessie in der Geisterstadt Deadlock in der mexikanischen Wüste. Eines Tages findet er den verwundeten Banditen Kid, der aus einem Banküberfall einen Koffer Geld bei sich hat. Dump nimmt den Koffer an sich und will Kid zunächst töten, doch dann nimmt er ihn bei sich auf. Schließlich entfernt er auch die Kugel aus seinem Arm, und rettet ihm damit das Leben. Kid wirft ein Auge auf Jessie, die ihm sexuelle Avancen macht. Als Kids älterer Kumpan Sunshine in der Stadt ankommt, entwickelt sich in der Einöde ein erbarmungsloser Kampf um die Beute. Mit bösartigen Spielchen foltert Sunshine den einfältigen Dump, der es immer noch auf den Geldkoffer abgesehen hat. Aber auch Kid und Sunshine versuchen sich gegenseitig auszutricksen. Am Ende dieser ausweglosen Situation wird es nur einen Überlebenden geben.
A psychedelic gangster film with elements of the Wild West. Charles Dump lives alone with an old whore named Corinna and her mentally retarded daughter Jessie in the Mexican Sierra Madre. One day Charles finds Kid, a badly wounded bandit with a suitcase full of loot from a bank robbery lying in the desert. Charles takes the suitcase and contemplates killing him, but on the chance that Kid can help him out decides to take him into his home. Charles then saves Kid’s life by cutting the bullet out of his arm while Kid finds Jessie’s flirtation hard to resist. When Kid’s older partner Sunshine arrives in town, a merciless fight over the loot begins. Sunshine tortures Charles, who is still naïvely trying to get the money, with vicious and sadistic games. At the same time, Kid and Sunshine try to outwit each other to see who takes the loot. In such a situation it is clear there will be no compromise and only one survivor.
Deadlock ist ein Reißer. Für den Kommerz gemacht. Roland Klick, Drehbuchautor, Produzent und Regisseur in einer Person, macht kein Hehl daraus. Wir haben uns angewöhnt, »Filme nur dann für ehrbar zu halten, wenn sie das Kino leerfegen«, spottet er und versuchte sich an einem harten Western, zu dessen Vergleich und Genealogie einem sofort ein halbes Dutzend Spitzenwerke des Genres einfallen. Nicht von ungefähr tauchen Bilder aus Lohn der Angst wieder auf; kein schlechter gedanklicher Brückenschlag für einen Jungfilmer, auch wenn er in der Branche schon einen Namen hat.
Doch Klick als Epigonen abzutun, damit würde man weder ihm noch seinem dramatischen Leinwand-Epos gerecht. Mit Deadlock gelang ein durchaus eigenwilliger Wurf, der sich trotz aller Vergleichbarkeiten gegen Früheres absetzt. Mit nur sechs Darstellern und einer an sich überflüssigen und »wie-gehabt-Story« zwingt er sein Publikum in ein faszinierendes Wechselbad aus quälenden Grausamkeiten und lyrischem Atemholen. Erdachte Killer-Querelen oder mehr?
Wenn mehr, enthüllt es sich in der Machart, in der dramatischen Erzählweise die ihre Zusammenhänge nur brockenweise im Fortgang des Geschehens preisgibt. Dieses Mehr liegt in der klaren Konzeption, die mit der expressiven Wucht haushälterisch umgeht, sich viel Zeit und der Kamera weite Einstellungen läßt, ehe die vorantreibenden Szenen im rasenden Stakkato ablaufen, um in geradezu gemütliche Besinnlichkeit zu münden. [...]
Was ist nun eigentlich das »Mehr« in dieser blutrünstigen Schauermär? Ein versteckter Generationenkampf, ein im Reißer ausgefiltertes Gegensatzpaar von Weltverständnis. Damit kein Zweifel aufkommt: Man befindet sich im Killer-Milieu, entschieden außerhalb der Legalität. Dennoch gibt es dieses Gegensatzpaar: Alter und junger Killer.
Kid, ein Hauch Mike Jagger liegt über ihm, trägt das scharfsinnige harte Kalkül des Verbrechers wie etwas Angeborenes unter der weichen Schale des Verletzlichen. Ihm ekelt vor der Quälerei, und er ist klug genug, die Morde, die ihm der Ältere anhängen will, auf das Konto Sunshines umzubuchen. Er macht sich die Finger nicht dreckig. Er schlägt nur zu, wenn wirklich keine andere Wahl bleibt. Leidenmachen um des Sadismus willen ist ihm kein Bedürfnis. Schrecklich gelassen, fatalistisch nimmt er die Ereignisse an. Leidensfähig bis zum Äußersten ist auch sein Scharfsinn hinter der beinahe kindlichen Fassade. Marquard Bohm ist der James Dean der Jugend 70.
Helene Schreiber: Roland Klicks neuer Film Deadlock
Rheinischer Merkur, 23.10.1970
Unter den übrigen deutschen Filmemachern bekommt der Name Roland Klick immer mehr Farbe und Gewicht. Klick hat sich in seinem ersten Spielfilm Deadlock einem Genre zugewandt, zu dem er kein »natürliches«, aus der deutschen Filmgeschichte ableitbares Verhältnis haben kann: dem Western- und Gangsterfilm. Seine Erfahrungen und Einsichten in die Mechanik dieser ausgesprochen amerikanischen Filmgattung sind im Kino gewonnen worden, durch genaues Beobachten vieler Filme, durch deren kritische Analyse und ein sensibles, auf leiseste Reize ansprechendes Einfühlungsvermögen. Dies läßt sich mit diesem Film deutlich beweisen, der ganz bewußt jeder wirklichen Erfahrung widerspricht, dagegen ein ausgeprägtes Maß an künstlich-künstlerischen Bildern und auf einfache Mechanismen reduzierte menschliche Verhaltensweisen zeigt. Deadlock besteht fast ausschließlich aus einem Sammelsurium an Filmzitaten, die mit filmtechnisch hochentwickeltem Raffinement aneinandergereiht sind.
Deadlock setzt wegen seines hohen Reflexionsgrades über das Genre des Western- und Gangsterfilms gewissermaßen diesem Genre einen kaum zu überbietenden Endpunkt. Die Handlung wird auf dramaturgisch und psychologisch genau kalkulierte Effekte reduziert, auf reine Action-Wirkung hin, die fünf Personen sehen sich ebenso reduziert auf bloße Figuren, die eine hermetisch nach außen hin abgeschirmte Gruppe von gesellschaftlichen Outsidern bilden und die nur aus dem einzigen Grund erfunden wurden, um zum Vergnügen des Zuschauers neunzig Minuten lang, von gleißendem Wüstenlicht übergossen, in einem verdunkelten Raum zu agieren.
Diese Reduktionen stellen das ganze Genre in Frage, sie entzaubern es, ohne daß sie ihm jedoch seine effektvollen Spannungen nehmen. Manche der zerdehnten, extrem ausgespielten Einstellungen dieses Films wagen sich allerdings hart bis zu jenem Punkt vor, wo die manchmal quälend angestachelten Zuschauererwartungen in Langeweile umzuschlagen drohen.
Die Hauptrollen spielen, und das ist nur konsequent, ein zerbeulter alter Chevrolet-Lastwagen und zwei abgegriffene Gewehre. Sie und nicht etwa ihre jeweiligen Besitzer entscheiden über den Ablauf des Films und das Schicksal seiner Personen. Der Motor jedoch, der den Mechanismus in Gang hält, ist jener triviale Mythos, daß die Lebensträume nur für denjenigen in Erfüllung gehen, der Geld, viel Geld besitzt.
Eckart Herrmann: Endspiel für einen Lastwagen und zwei Gewehre
Süddeutsche Zeitung, 29.1.1971